Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
erlernen Entspannungstechniken. Vor allem im Fall von speziellen Ängsten übt der Therapeut mit dem Patienten den Umgang mit den beängstigenden Situationen und begleitet ihn, wo es nötig ist, auch an die Orte, die ihm Angst machen. So kann ein Patient beispielsweise die Angst vor dem Aufzugfahren verlieren, vor bestimmten Tieren, großen Höhen oder weiten Plätzen.
Auch das Paar aus dem Zug mit seiner übersteigerten Angst vor ansteckenden Krankheiten wäre bei einem Verhaltenstherapeuten gut aufgehoben.
35 Prozent aller kassenzugelassenen Psychotherapeuten sind Verhaltenstherapeuten. Und, falls Sie beim Zusammenzählen wieder nicht auf 100 Prozent kommen: Einige wenige Kollegen sind Psychoanalytiker und Tiefenpsychologen.
Ich selbst bin tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin und werde deshalb den Ablauf einer Psychotherapie aus der Sicht der Tiefenpsychologin beschreiben. Auch hier habe ich wiederum Kollegen anderer Richtungen gebeten, zu ergänzen, wenn etwas bei ihnen völlig anders läuft. Trotzdem liegt der Schwerpunkt in diesem Buch auf der tiefenpsychologischen Behandlung.
Vieles ist allerdings in allen drei Richtungen ähnlich. Selbst Patienten, die bereits früher einmal eine Therapie gemacht haben, wissen oft nicht, ob ihr Therapeut ein Tiefenpsychologe, ein Verhaltenstherapeut oder ein Psychoanalytiker war. Wahrscheinlich hat er es zu Beginn erwähnt, und sie haben es wieder vergessen, weil es nicht wichtig war. So wenig, wie es wichtig ist, Es, Ich und Über-Ich zu kennen. Hauptsache, es geht einem nach der Behandlung besser.
Mitunter, in wenigen Fällen, stelle ich aber auch infrage, ob eine Psychotherapie überhaupt das Geeignete ist für den Patienten. Das geschieht entweder dann, wenn ich das Gefühl habe, er ist eher hierhergeschoben worden, als aus eigenem Antrieb zu kommen. In diesem Fall empfehle ich dem Patienten, sich noch einmal zu überlegen, ob er wirklich eine Therapie machen möchte, und mich in einigen Wochen, falls er sich dafür entschieden hat, noch einmal anzurufen.
Ich habe auch schon die Therapie bei Patienten abgelehnt, die nur Opfer sein wollten. Ich rede nicht von Patienten, die wirklich Opfer sind oder waren, die ein schlimmes Schicksal hinter sich haben und erst einmal über nichts anderes sprechen können. Ich rede von denen, die falsche Lebensentscheidungen getroffen haben und immer wieder treffen, die aber nicht imstande sind, ihren Anteil daran zu sehen, sondern die sich nur darüber beschweren wollen, dass sie zu gutmütig sind und die Welt schlecht und böse ist. Und da ich die Welt nicht ändern kann, kann ich auch diesen Patienten nicht helfen.
Erinnern Sie sich? Erwachsensein bedeutet, für sich selbst und andere Verantwortung übernehmen zu können. Für den Beginn einer Therapie ist es ganz gut, wenn jemand wenigstens ein bisschen Verantwortung für sich selbst übernehmen kann. Wenn er zumindest sagen kann: Okay, ich bin bereit, mir anzuschauen, was ich verändern könnte. Und sei es nur, wie jemand, auf den in seinem Leben kein Mensch richtig aufgepasst hat, lernen kann, besser auf sich selbst aufzupassen.
Es kann also passieren, dass der Psychotherapeut dem Patienten sagt, er sei woanders mit seinen Beschwerden besser aufgehoben. Schließlich wird man bei körperlichen Erkrankungen auch erst einmal durchgecheckt, bevor feststeht, welcher Facharzt für einen zuständig ist.
Eventuell wird der Therapeut auch eine Gruppentherapie vorschlagen. Das heißt, der Patient trifft sich regelmäßig mit ihm und anderen Patienten zu gemeinsamen Sitzungen. Wahrscheinlich wird er ihm jedoch eine Einzelbehandlung anbieten. Nicht einmal die Hälfte aller Psychotherapeuten hat eine Abrechnungsgenehmigung für Gruppentherapie, und lediglich 1 Prozent aller Psychotherapien sind Gruppentherapien.
Unser Patient bekommt am Ende der ersten Sitzung das Angebot, es miteinander zu versuchen – zunächst einmal für einige Sitzungen. Danach soll dann entschieden werden, ob man miteinander arbeiten will.
Möglicherweise fragen Sie sich an dieser Stelle, wie lange das Ganze denn gehen soll, wenn man allein schon mehrere Sitzungen braucht, um entscheiden zu können, ob man überhaupt anfangen will. Den meisten Patienten beginnt spätestens an dieser Stelle zu dämmern: Mit ein, zwei Stündchen ist es in der Psychotherapie nicht getan.
Vielleicht hatte der Patient sich vorgestellt, er schildert kurz sein Problem, der Therapeut gibt ihm daraufhin den einen genialen
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