nicht schön hier?!»
«Ich wohne noch nicht so lange hier. Muss mich erst mit der Stadt anfreunden.»
«hat dir noch niemand die schönen ecken gezeigt?» Nicht gleich ein Treffen, bitte.
«Ich entdecke sie gerade», schreibe ich zurück. «Du hast ein nettes Bild online.»
«nett ist die kleine schwester von scheiße.»
«So meinte ich das nicht. Ich meinte: richtig nett.» Nun ja, es ist ein bisschen gelogen. Das Foto auf seiner Profilseite zeigt einen braunhaarigen Typen, ein bisschen dicklich, ein bisschen Bartstoppeln, BVB -Trikot. «Wohnst du schon lange in Essen?», frage ich.
«war mal zum studium weg, bin dann aber wieder zurückgekommen. hamburg fand ich zwar okay, aber die leute hier sind einfach netter.»
«Was hast du studiert?»
«maschinenbau. und du?»
«Oh, ganz abwegige Sachen. Italienisch, Psychologie.»
«und jetzt suchst du jemanden, der dir das leben hier versüßt.»
«Weiß nicht. Ja. Nein. Vielleicht.»
«*lach», schreibt BVB joern. «also noch unentschlossen?»
«Kommt auf den Typen an.»
«wie muss er denn sein, der typ?»
«Er muss mich zum Lachen bringen.»
«kann ich.»
«Bist du sicher? Noch habe ich nicht gelacht.»
«dann wart’s ab.»
«:-)», schreibe ich.
«siehst du.»
«:-)) Und du? Was findest du an Frauen gut?»
«sie muss mich zum lachen bringen.»
«Das habe ich ja nun schon geschafft.»
«eben.»
So geht es weiter. Er sei geschieden, schreibt er, habe eine Tochter, sechs Jahre, ein süßes Mädchen, und wohne «in der nähe der rü, rüttenscheider straße, essener süden». Seine Tochter sehe er alle zwei Wochen, seine Exfrau am liebsten gar nicht mehr, sein Auto sei ein 20 Jahre alter Mercedes. Ich gebe ihm meine E-Mail-Adresse, eine anonyme Adresse, die ich für Fälle wie BVB joern eingerichtet habe, dann verabschieden wir uns aus dem Chat. Schon nach wenigen Minuten bekomme ich die erste Mail von
[email protected]: «war schön mit dir zu sprechen. melde mich.»
Am nächsten Morgen stupse ich Gabi an. Es ist 7 Uhr, ich bin noch im Nachthemd. Im Fernsehen laufen die
Power Rangers
. Wir haben Rainers Rückkehr verschlafen.
«Gabi», sage ich. «Gabi!»
Sie brummt.
«Gabi, es ist schon Morgen. Du musst nach Hause.»
Sie zieht ihre dünnen Arme unter der Decke hervor und reibt sich die Augen. Kalle schreckt auf, knurrt und kläfft. «Wie viel Uhr isset denn?»
«Sieben Uhr. Rainer ist nicht gekommen.»
«Wat?» Sie öffnet die Augen.
«Ich muss gleich zur Arbeit. Du musst aufstehen.»
Gabi schlägt die Decke zurück. «Oh, Scheiße», sagt sie und blickt an sich hinab. Vor ihrem Bauch ist ein nasser Fleck. «Kalle hat auf dein Sofa gepinkelt.»
Na super.
«Mein Bruder is Raumpfleger», sagt Gabi hastig. «Der macht dir die Couch widda flott. Wirst sehen, danach is die wie neu. Außerdem …», sie tupft mit dem Finger auf dem Fleck herum, «isset kaum noch feucht. Hasse dem Rainer gestern keinen Zettel anne Tür gepinnt?»
«Doch», sage ich. Ich öffne meine Wohnungstür und stecke den Kopf in den Flur.
«Der hängt da noch», sage ich, als ich zurück ins Wohnzimmer gehe.
Gabi ist aufgestanden und plötzlich sehr resolut. «Datt heißt, der is heute Nacht gar nich nach Hause gekommen!» Sie stapft an mir vorbei in den Hausflur, klingelt an ihrer Wohnungstür, hämmert mit der Faust dagegen und ruft: «Odda? Rainer! Ich weiß, datt du da bis! Mach auf!»
In Gabis Wohnung bleibt es still. Sie klingelt Sturm. «Wenn du mich getz nich reinlässt, isset aus! Für imma!» Stille.
Mehr zu sich selbst als zu mir sagt sie: «Dat gibbet doch nich. Der is tatsächlich nich da.»
«Ich gehe dann mal ins Bad», sage ich. «Du kannst ja derweil versuchen, ihn anzurufen. Telefon steht auf der Anrichte. Funktioniert auch schon.» Ich gehe duschen, ohne große Hoffnung, dass Gabi danach verschwunden ist. Und richtig: Als ich angezogen bin und mir in der Küche eine Tasse Milch einschenke, sitzt sie wieder auf dem Sofa.
«Entweder Rainer liegt im Koma, oder er is nich nach Hause gekommen», resümiert sie.
«Wo kann er denn sein, wenn er nicht zu Hause ist?», frage ich.
«Na, im Puff natürlich! Oder bei so ’ner Ische!»
Was auch immer der Unterschied zwischen beidem ist. «Und was machst du jetzt? Ich meine, ich muss ja gleich …»
«Ich geh zu meine Mutter», unterbricht sie mich. «Die wohnt zwar in Körne, abba da komm ich schon irgendwie hin. Ich ruf einfach den Nobbert an, der kann mich hinfahrn. Kann ich ma