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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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Po. Die haben wir an einer Stelle kaum vor- oder zurückgekriegt. Aber ich finde es total wichtig, dass man gemeinsame Hobbys hat. Wenn meine Frau sich nicht für mein Hobby interessiert – das könnte ich mir echt nicht vorstellen.»
    Die Kellnerin tritt an unseren Tisch. «Darf’s noch wat sein?», fragt sie.
    «Wir hätten gerne die Karte», sagt Martin und sieht mich an. «Du möchtest doch etwas essen, oder?»
    «Ich würde gerne zahlen», sage ich.
    Die Bedienung blickt von mir zu ihm und wieder zu mir. «Ja, watt denn nu?»
    «Zahlen», sage ich, hole mein Portemonnaie hervor und lege es auf den Tisch, direkt auf einen Zettel, auf dem «Solidarität mit der Zeche Carl» und «Das soziokulturelle Zentrum Zeche Carl in Essen ist in seiner Existenz bedroht» steht. Deprimierend, das alles. Dieser Bahnhof, die Industriebrachen, Martin.
    «Warum willst du denn schon zahlen?», fragt er. «Wir unterhalten uns doch gerade so gut.»
    «Ich finde, es passt nicht so gut zwischen uns.»
    «Dabei hatte ich ein echt gutes Gefühl.»
    «Das ist das Problem.»
    «Vielleicht sollten wir einfach mal gemeinsam etwas unternehmen.»
    «Ich glaube nicht.»
    Die Kellnerin bringt die Rechnung. «Zusammen oder getrennt?»
    «Getrennt», sage ich.
    «Zusammen», sagt Martin.
    «Danke», sage ich.
    «Nee, ich mein, ich habe ja grad erst das Studium abgebrochen, und mit der Arachnologie, das ist noch nicht so richtig angelaufen. Ich warte da derzeit noch auf Aufträge und auf einen Ansatz, wie ich da weiter rangehen kann. Ich würde gerne mal auf einen richtigen Höhlentreck gehen, nach Südamerika oder so. Dort, wo es auch von den Tieren her interessant ist. Der Chapada-Nationalpark zum Beispiel, das wäre ein echter Traum. Der liegt in Brasilien, dort gibt es Höhlen, die sind unglaublich eng. Wenn du da mitwillst, müssen wir mal gucken, wie wir das machen. Aber das ist nichts für Leute mit Klaustrophobie. Dort musst du auf dem Bauch …»
    «Zahlen jetzt? Oder nich?», fragt die Kellnerin.
    «Ich zahle dann zusammen», sage ich.

    Auf der Rückfahrt teile ich den Waggon mit einer Gruppe Jugendlicher, allesamt Dreadlock-Träger, und einem lauthals vor sich hin pöbelnden Obdachlosen mit nur einem Arm. Es ist dunkel. Die S-Bahn riecht nach Schweiß und Alkohol.
    Ein Bahnbediensteter schiebt einen bärtigen Muslim mit gestrickter Gebetsmütze in den Waggon: Der Mann hat keine Füße und sitzt im Rollstuhl. Die Türen schließen sich piepend.
    Der einarmige Penner schwingt sich eine fleckige Jutetasche über seine armlose Schulter und macht die Jugendlichen an: «Ey, ihr Spackos. Gebt die Bierflaschen her. Die NATO führt Krieg. Krieg! Es kann jederzeit losgehen. Da brauche ich Pfand!»
    Einer der Rastafari-Jungs sagt: «Nimm, Bruder. Wir sind solidarisch mit dir», und reicht ihm eine leere Pulle.
    «Da ist ja gar nichts mehr drin!», beschwert sich der Einarmige, hält die Flasche mit dem Hals nach unten und lässt einen Rest Bier auf den Boden kleckern. Während er der Plörre nachguckt, fällt sein Blick auf den Muslim, auf dessen nicht vorhandene Füße das Bier tropft. Verwundert stellt er fest: «Du hast ja gar keine Füße», hält kurz inne und sagt: «Fuck, ey, du kannst nicht mal moscheemäßig beten. Du bist echt gefickt, Alta.»
    Der Muslim schaut zu ihm auf, blickt ihn eine Weile an und sagt sehr ruhig: «Dafür kann ich Handstand machen und du nicht.»
    «Wenn ich einen Film drehen würde, dann einen, der nur in Bussen und Bahnen spielt», sagt eine Männerstimme neben mir. Es ist Eichhörnchen. Er lässt sich mir gegenüber in den Vierersitz fallen. «Was du hier erlebst, passt nicht mal in 90 Minuten. Ich müsste Überlänge produzieren.»
    «Hi», sage ich, ziemlich verwirrt.
    «So spät noch unterwegs?», fragt er.
    «Ich war bei … einer Freundin.»
    «Ich finde gut, dass du hier schon Leute kennengelernt hast.»
    Wir sind jetzt in Dortmund-Oespel. Kaum einer steigt aus, kaum einer steigt ein. Die Türen schließen sich fiepend, der Zug fährt an.
    «Und du?», frage ich, um etwas zu fragen. «Auch bei Freunden gewesen?»
    «So ähnlich, ja.» Es scheint, als suche er nach Worten. Dann sagt er: «Melanie erzählte mir, dass du auch Handball spielst – wie meine Schwester.»
    «Ich spiele seit meiner Jugend.»
    «Hast du schon eine Mannschaft in Dortmund gefunden?»
    «Nee. Ehrlich gesagt, habe ich aber auch noch nicht nach einer gesucht.»
    «Katrins Mannschaft ist ziemlich gut. Nun ja, soweit ich das beurteilen

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