Da gewöhnze dich dran
telefonieren?»
Ich gebe ihr das Telefon. Sie wählt. Ich höre, wie sich «Taxi Dortmund, guten Morgen, was kann ich für Sie tun?» meldet.
«Hier is Gabi von Hörde. Hömma, is der Nobbert im Dienst? Kannze mir den vorbeischicken? Is ’n Notfall.» Am anderen Ende der Leitung wird gesprochen. Dann legt Gabi auf. Offensichtlich geht das in Ordnung.
«Kannz auf Schicht gehn, ich komm schon klar», sagt sie, steht auf und pfeift durch die Zähne. Kalle, der sich bis dahin im Schlafzimmer zu schaffen gemacht hat, läuft zu ihr. Sie nimmt ihn auf den Arm. «Danke, woll. Hast einen gut bei mir.»
«Gern geschehen», lüge ich. «Und mit dem Sofa …»
«Wegen dem Sofa kommt der Maik. Der kuckt sich dat an, kippt wat von seine Spezialseife drübba, und dann fluppt dat.»
Im Büro habe ich eine Mail von BVB joern im Postkasten.
Als Melanie kommt, erzähle ich ihr von Gabi.
«Und sie hat sich einfach so auf deine Couch gepflanzt und dir von ihrer Darmgeschichte erzählt?», fragt Melanie ungläubig und schlürft an ihrem Morgenkaffee. «Dat is dreist. Und wat is getz mit ’m Rainer?»
«Der fliegt heute Abend erst mal raus. Sobald sie wieder in ihre Wohnung reinkommt.»
«Wahrscheinlich Endometriose. Diese Verwachsungen, meine ich. Aber mit den Blähungen – dat ist ja wirklich unangenehm.»
«Nicht nur für sie», sage ich.
«Mal wat ganz anderes», meint Melanie. «Hasse du schon jemanden, mit dem du am Sonntach auffe A 40 gehs?»
«Du meinst, wenn sie die Autobahn sperren?»
«Genau, diese Kulturhauptsache, wo se unsern Ruhrschleichwech dichtmachen. Ich dachte, wir könnten da zusammen hin – ’n bissken über die Autobahn bummeln und et uns gutgehen lassen.»
Ich bin mir zwar nicht im Klaren darüber, was Autobahnsperrung mit Kunst zu tun hat, aber wenn Menschen für einen Tag ein Gebiet erobern, aus dem sie sich vormals durch ihre selbst geschaffenen Technologien ausgeschlossen haben, möchte ich dabei sein.
«Fahrrad oder zu Fuß?», hakt Melanie nach.
«Ich weiß nicht», zögere ich.
«Also, ich würd ja lieber Fahrrad fahren, dann sieht man mehr. Dann schaffen wir’s vielleicht bis nach Essen. Außerdem finde ich radeln auf der Autobahn voll schräg. Komm, dat machen wa einfach.»
«Ich habe im Moment kein richtiges Fahrrad», wende ich ein. «Nur mein Jugendfahrrad.» Ein türkises Mädchenvelo mit weißem Körbchen und Pukki-Tachometer.
«Dat reicht dicke», meint Melanie. «Wir wolln ja keine Rekorde aufstellen, woll. Also isset abgemacht: Sonntag radeln wa über die Autobahn.»
In der Mittagspause schreibe ich Björn: «Hey Björn, ich habe mich heute Morgen über deine Mail gefreut. Sehr. Und über gestern Abend. Auch sehr. Bin am Sonntag auf der A 40 . Du auch?»
Noch am Abend habe ich die Antwort: «mit meiner tocher! bin also am sonntag schon vergeben. nur falls du mit mir hättest händchen halten wollen. nicht, dass ich das erhoffe. oder doch: vielleicht erhoffe ich es? himmel, ich stottere. wie kann es sein, dass ich stottere? wir kennen uns kaum. aber ich freu mich immer noch, dich gefunden zu haben. bis morgen? bis morgen. gruß, björn.»
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S 1 , Bahnhof Langendreer
Es ist Samstag. Ich fahre mit der S 1 , der S-Bahn-Linie des Ruhrgebiets, die von Dortmund über Bochum, Essen und Duisburg nach Düsseldorf und Köln führt. Ich bin auf dem Weg zu meinem Date mit bochum 81 – Bochum-Langendreer, vier Haltestellen noch.
Im Sitz hinter mir telefoniert eine Blondine: «Alta, wat denkt der sich eigentlich? Zehn Stunden anne Kühltheke malochen, denkt der, ich bin ’n Eskimo? Abba heute war dat Maß voll. Weißte, wat ich gemacht hab? Ich bin zu ihm hingegangen und hab gesacht, ‹Chef›, hab ich gesacht, ‹so ’ne Firma is wie ’n Weihnachtsbaum. Schön und glitzernd, und sogar dat Lametta freut sich, dasset dabei sein darf. Aber wenn die Spitze krumm is, kannste noch so dicke Kugeln dranhängen: Dann is alles für ’n Arsch.› Jetzt kann ich mir natürlich ’n neuen Job suchen.»
Ich fahre zum Bahnhof Langendreer, einem unterfinanzierten Kulturzentrum. «Es ist total inspirierend dort», hat mir bochum 81 gestern noch im Chat geschrieben. «Dieses heruntergekommene Morbide, dann die vorbeifahrenden Züge und die Atmosphäre der Schwerindustrie. Das ist echtes Ruhrgebiet. Das muss man einfach lieben.»
Als ich unter einer Bahnbrücke hindurch zum alten Bahnhofsgebäude gehe, bin ich maximal uninspiriert. Über mir donnert die S-Bahn hinweg,
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