Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
Vom Netzwerk:
Woche», sagt Mutter. «Tante Henriette hat abgesagt. Da reicht eigentlich ein Kuchen.»
    «Dann mach doch nur einen.»
    «Ich würde dann nur den Nusskuchen machen.»
    «Ich dachte, du hast schon Birnen eingekauft», sage ich.
    «Aber du wolltest doch lieber Nuss.»
    Knack.
    «Mama, es ist mir egal. Ich muss jetzt auch auflegen. Ich erwarte noch einen Anruf.»
    «Um diese Zeit? Am Sonntagmorgen? Von wem denn?»
    «Das ist doch egal.»
    «Musst du mir auch nicht erzählen.»
    «Eben.»
    «Aber du weißt ja, dass du mit mir immer über alles reden kannst.»
    «Weiß ich, Mama. Mach einfach irgendeinen Kuchen. Ich mag alle deine Kuchen gerne. Weißt du doch.»
    «Ich mache Nusskuchen, mein Herz. Den isst du doch so gerne.»
    «Danke, Mama. Ich muss jetzt auch wirklich auflegen.»
    «Und du weißt ja: Wenn was ist …»
    «Ja, Mama. Tschüs, ne.»
    «Tschüs, mein Kind. Und mach dir einen schönen Tag.»
    Ich drücke den roten Knopf und sogleich den grünen. Aber er ist schon weg. In der Küche hüpft der Toast aus den Schlitzen. Ich drücke die Wahlwiederholung.
    «Hey, Süße», sagt er, und seine Stimme ist Honig.
    «Hey», sage ich. «Schön, dass du anrufst. Habe dich schon vermisst.»
    «Tut mir wahnsinnig leid», sagt er. «Meine Exfrau war im Krankenhaus, meine Tochter war bei mir. Es ging alles drunter und drüber.»
    «Ich hoffe, nichts Schlimmes.»
    «Nee, nur Blinddarm. Aber es musste alles ziemlich schnell gehen, und abends war eben Hannah da, da konnte ich mich nicht bei dir melden. Sie hat kaum geschlafen.»
    «Ist schon okay», sage ich, auch wenn ich denke, dass eine SMS oder eine Mail doch möglich gewesen sein muss, tagsüber aus dem Büro. Oder zwischendurch.
    Er erzählt mir von seiner Tochter, von ihrem ersten Lebensjahr, als alles noch in Ordnung war mit seiner Exfrau, von Hannahs ersten Schritten, ihren ersten Worten, dass seine Frau sich nur noch auf das Kind fixierte, dass sie sich plötzlich veränderte, er ihr nichts mehr recht machen konnte und dass, er zögert, druckst herum, atmet tief ein, und dass er schließlich fremdgegangen sei, mit einer Arbeitskollegin, ziemlich dumm, ziemlich plump. Seine Frau habe es herausgefunden, ganz klassisch, ganz unprätentiös, weil sie fremdes Parfüm an ihm roch, weil er Lippenstift am Kragen hatte, er sei sich unglaublich lächerlich vorgekommen, aber es sei eben passiert. Das Gespräch ist mit einem Mal sehr intim, doch seltsamerweise kommt mir unsere Nähe nicht fremd vor, obwohl wir uns erst einmal begegnet sind, einen Abend lang, einen schönen Abend lang, aber eben nicht mehr.
    «Und?», fragt er am Ende. «Willst du mich jetzt noch?»
    Ich zucke mit den Schultern, was er nicht sehen kann, er hört nur mein Schweigen. Nach einer Weile sage ich, sehr langsam, die Worte beim Sprechen abwägend, dass es nicht darum gehe, sein Verhalten zu beurteilen. Ich erzähle ihm, dass ich meinen Freund verlassen habe, dass ich ihn verletzt habe, dass ich aber auch mich verletzt habe, dass es auch für denjenigen verletzend sei, der gehe, dass viele Menschen dies aber nicht sähen, dass es für die meisten nur Täter und Opfer gebe. Ich erzähle Björn, dass ich Daniel vor einer Woche eine Mail geschrieben habe, eine von denen, die man nachts schreibt, die ich niemals hätte abschicken sollen, eine, in der ich sentimental war, in der ich ihn nicht nur gefragt habe, wie es ihm gehe, sondern in der ich ihm auch gesagt habe, dass ich ihn vermisse, dass ich mich freuen würde, wenn er sich einmal melde.
    «Hängst du noch an ihm?», fragt Björn, und ich höre Eifersucht in seiner Stimme.
    Nein, sage ich und bin mir nur für einen kurzen Moment unsicher. Die Vergangenheit, sage ich, sei vorbei. «Daniel ist nicht mehr der, der er einmal war. Er hat sich verändert, und ich mich nicht.»
    «Du hast dich bestimmt auch verändert», wendet Björn ein.
    «Ja, vielleicht. Aber nicht gemeinsam mit ihm.»
    Björn sagt, manchmal fühle er sich wie ein Versager, wie eine totale Flasche. Er sei an dem Einfachsten gescheitert, das es gebe: mit seiner Frau eine Familie zu gründen. Er sei einer dieser Männer, die mit einer Arbeitskollegin fremdgehen, so billig, so stereotyp. Die meisten seiner ehemaligen Freunde hielten zu seiner Frau. «Das kann ich sogar verstehen. Ich war echt ein Arsch.»
    «War sie deine Jugendliebe?», frage ich.
    Er bejaht. Ich erzähle ihm von meiner Jugendliebe, der Liebe vor Daniel, einer charismatischen, leidenschaftlichen Liebe, mit der ich erst

Weitere Kostenlose Bücher