Da gewöhnze dich dran
Mörtels kleine Gartenhütte herum, dorthin, wo das Chemieklo ist.
Die Luft ist nun kalt geworden, es ist beinahe dunkel. Der Grill spendet fahles Licht und karge Behaglichkeit, aber beides schafft es nicht, mich zu wärmen und den Garten zu erhellen. Mir ist schwindelig, ich setze mich wieder in die Schaukel, lasse mich hineinsinken und lehne mich in das klamme Polster. Mein Kopf liegt auf der Kante des Sitzes, ich schließe die Augen. In meinem Rücken höre ich die Geräusche der anderen, ihr Lachen verliert sich in der Dämmerung. Sie sind auf der Wiese, werfen Flaschen um, trinken, scherzen und jagen sich durchs Gras.
Ich stoße mich mit dem Fuß ab. Die Schaukel schwingt vor und zurück, sie quietscht leise. Ich sauge die klare Sommerluft ein, höre das Kichern und Feixen, das Zirpen der Grillen, das ferne Rauschen von Verkehr. Meine Arme sind überzogen von Gänsehaut, ich zittere plötzlich, Frost steigt in mir hoch, ich friere.
«Hey», sagt Bunke leise und setzt sich zu mir. Ich spüre die Wärme seines Körpers und lasse mich gegen seine Schulter sinken, es ist wie ein Reflex. Er legt den Arm um mich.
«Du bist ja ganz kalt», sagt er und drückt sich an mich. «Willst du meine Jacke? Ich hol sie dir.» Er steht auf, ohne eine Antwort abzuwarten, ich möchte sagen: Nein, bleib hier – aber er verschwindet schon in Mörtels Häuschen und kommt mit der Jacke seines Jogginganzugs wieder heraus. Er legt sie mir um die Schultern, und ich kuschel mich darin ein. Sie riecht gut, nach Aftershave, Weichspüler und etwas, das er sein muss. Er rückt sich ein wenig im Polster zurecht, legt wieder seinen Arm um mich und ich meinen Kopf an seine Schulter. So sitzen wir da, er streichelt leicht mit seiner Hand über meinen Oberarm, bettet seine Wange auf meine Haare. Seine Bartstoppeln verfangen sich ein bisschen darin, ich spüre das Ziepen und höre es kratzen.
Wir verharren eine Weile, hören den Geräuschen der Nacht zu, dem Lachen, den Rufen. Dann nehme ich den Kopf von Bunkes Schulter, richte mich leicht auf und sehe ihn an. Er sieht mich auch an. Es ist einer dieser Momente, in denen alles klar ist, einer dieser Kussmomente. Was weiß ich von ihm? Nichts weiß ich von ihm. Nur dass er ein Monchichi ist und Fiat fährt.
Er fährt mir mit der freien Hand über die Wange. Seine Finger sind rau. Ich schließe die Augen. Der Kuss ist nur kurz, zart, er streichelt nur, wir berühren uns kaum. Seine Lippen sind kühl und weich. Mein Herz tut einen Hüpfer, ich setze mich ein Stück mehr auf, nur ein paar Zentimeter, und er beugt sich weiter vor, fasst mich fester. Er schmeckt nach Bier und nach dem, wonach seine Jacke riecht. Wir küssen uns weiter, fester, kraftvoller. Ich öffne kurz die Augen, aber seine sind geschlossen. Es gibt nichts zu sehen.
Am nächsten Morgen sehe ich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Sie ist von Björn:
«Hey, Süße! Wenn du zu Hause bist, ruf mich an. Ich möchte unbedingt deine Stimme hören. Bis gleich, ja?» Sie ist von gestern Abend.
Ich ziehe Schlumperhose und Flauschpulli an, lasse mich aufs Sofa fallen und wähle seine Handynummer. Der Ruf geht durch. Ich lasse so lange klingeln, bis eine Automatenstimme sagt: «Der Teilnehmer ist im Moment nicht erreichbar, wird aber per SMS über Ihren Anruf informiert.»
Ich wähle noch einmal.
«Der Teilnehmer ist im Moment nicht erreichbar, wird aber per SMS über Ihren Anruf informiert.»
Ich stehe auf, gehe in die Küche, setze Wasser für einen Tee auf und schiebe zwei Toasts in die Schlitze. Im Kühlschrank sind noch zwei Scheiben Mortadella und eine angefangene Packung Streichkäse. Nicht viel. Nicht schön. Nicht gut.
Das Telefon klingelt.
«Hallo-ho», flöte ich in den Hörer.
«Hast du getrunken?», fragt Mutter.
«Nein, Mama», sage ich und balle meine innere Faust. Ich werde sauer. Auf Mutter, weil sie nicht Björn ist, und auf Björn, weil das Telefon geklingelt hat, aber er nicht dran war.
«Ich frage, weil: Du bist ja immer so alleine. Nicht, dass du das Trinken anfängst.»
«Wann soll ich denn trinken?», zische ich durch zusammengebissene Zähne. «Tagsüber arbeite ich, und am Abend sitze ich zu Hause oder muss in den Netto oder werde von irgendwelchen Fußball-Asis angepöbelt!»
«Sei doch nicht gleich so aggressiv.»
«Bin! Ich! Nicht!»
Es knackt im Hörer. Das ist Björn. Er ruft zurück.
«Warum rufst du eigentlich an?», frage ich.
«Noch mal wegen dem Kuchen für Ommas Geburtstag nächste
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