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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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das nun mehr ein Guten Nachmittag oder Guten Abend ist und an manchen Tagen gar nicht stattfindet.
    Nach jedem Telefonat, das es nicht gibt oder das wir nur mehr über unseren Alltag führen, in dem wir kein Wort über uns, unsere Gefühle und unsere Verliebtheit verlieren, fühle ich mich schwer und leer, und es gibt Abende, an denen weine ich vor dem Schlafengehen, auch wenn ich mir immer wieder sage, dass es keinen Grund gibt, es geht schon weiter, wie bei meinem See, der Tag für Tag voller wird.

[zur Inhaltsübersicht]
    Maschinenhalle
    Es ist ein schneereicher Dezember – und obwohl die Winter früher immer weiß waren, ist Rudolf Schmidtchen einigermaßen beeindruckt. Nachdem er sich 1957 mit einem Strauß Beerdigungsblumen seine Lisbeth geangelt hat, seien sie wintertags gerne im Rombergpark Schlittschuh gefahren, erzählt er, auf einem zugefrorenen Teich, in dem an weniger kalten Tagen Enten gründeln. Jedes Jahr sei der Teich so dick zugefroren gewesen, dass er die halbe Bevölkerung Dortmunds getragen habe – und ein Pferdefuhrwerk noch dazu.
    «Dammals hatte der Schnee abba noch kein Namen», sagt Schmidtchen eines Morgens, als ich mich im Treppenhaus für meine Expedition zur U-Bahn präpariere. «Und heute? Da benennen se ’n nach meine Tochta.»
    «Ihre Tochter heißt Petra, wie das Sturmtief?»
    «Dammals war dat ’n fescher Name. Heute heißen die Blagen ja nur noch Englisch. Dat kann so ’n Oppa wie ich nich mehr aussprechen.»
    «Ist Petra Ihr einziges Kind?», frage ich, während ich mir meine Wollmütze überstreife.
    «Ich hätt noch gekonnt, abba meine Täubin hatte ’ne schwere Geburt, dat war allet nich so glücklich, danach hat uns der Doktor von weiteren Döppken abgeraten, sonst hätt’s sein können, datte Lisbeth über de Wupper geht. Dafür hab ich se zu lieb, weißte, abba, unter uns, so ’n Stammhalter hätt ich gerne noch gehabt.»
    «Vielleicht beschert Petra Ihnen ja einen Enkel.»
    «Die Petra, die is schon mitten im Klimakterium. Wenn se ma auf Besuch kommt, hat se die erste Tasse Kaffee noch nich ganz unten, dann müssen wa schon die Fenster aufreißen, solche Hitzewallungen hat se. Ich glaub, dat wird nix mehr.»
    Ich ziehe mir meine Handschuhe über. «Dann stirbt die Linie Schmidtchen also aus?»
    «Ich könnt mir ’ne junge Geliebte suchen.» Er zwinkert sein Schmidtchen-Zwinkern.
    «Tut mir leid – ich stehe nicht mehr zur Verfügung.»
    «Dat hab ich gemerkt, Etteken – dat et gefunkt hat zwischen dir und Ihmchen. Warst ja ganz fickerich, als de dammals bei uns warst. So ’ne Rappeltrine war meine Petra nur an Heilichabend, als et Christkind kam. Abba in letzter Zeit war a nich oft hier, odda?»
    «Er muss viel arbeiten.»
    «Dat sagen se alle, Etteken, dat sagen se alle. Wie läuft et beim Turnen?»
    «In den ersten Spielen lief’s nicht so gut», sage ich, «aber die letzten Spiele haben wir alle gewonnen, und im Moment sind wir Dritter. Jetzt ist erst mal Winterpause.»
    «Wollta aufsteigen?»
    «Gott bewahre», sage ich. «Ich glaube nicht, dass wir das schaffen. Wir wollen oben mitspielen, das reicht uns.»
    Er greift hinter sich. «Hasse schon geseh’n, watt der Werner mir geschickt hat?» Er zeigt mir eine Postkarte von einem Hafen, die überschrieben ist mit: «Greetings from Cayman».
    «Wer ist Werner?», frage ich.
    «Der hat vorher in deine Wohnung gewohnt. Hat sich einfach vom Acker gemacht, und keiner wusste bislang, wo er is. Getz wissen was: inne Karibik. Hier, guck.» Er reicht mir die Postkarte.
    Ich lese: «Lieber Rudi, liebe Lisbeth, Grüße an das ganze Haus von den Kaiman-Inseln. Ein Traum ist wahr geworden! Ich wünsche frohe Weihnachten und geruhsame Festtage. Werner.»
    «Is dat nich so ’n Steuer-Sparadies da?»
    Ich zucke mit den Schultern. «Ich glaube, schon. Meinen Sie, der Werner hat sein Geld zusammengekratzt und ist in die Karibik getürmt?»
    «Ich würd ihm ja zurückschreiben und fragen, aber et steht keine Adresse drauf.»
    Ich gebe ihm die Karte zurück. «Ich muss dann jetzt auch los, auf Schicht.»
    «Allet klar. Grüß die Abbeit von mir. Die kennt mich bestimmt noch, ich hab se viel besucht.»
    Draußen ist es schneidend kalt. Vor drei Tagen ist ein Sturm übers Ruhrgebiet gezogen und hat Autos und Balkone, Bürgersteige und die kleinen Straßen um meine U-Bahn-Haltestelle mit Bergen von Schnee bedeckt. Eiszapfen hängen von den Dachfirsten und bedrohen Leib und Leben vorbeilaufender Passanten; besorgte Hausbesitzer

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