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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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Diamantraketen in die Luft. Bodenfontänen und Leuchtwirbel sprühen. Die 100 -Schuss-Feuerwerk-Batterie donnert. Black Rain, Blue Diamonds, Coroner und Fire Combat, Avalon und Babylon. Büdchen-da-Silva raucht eine Fluppe nach der anderen, hält die glimmende Asche an die Zündschnur, wirft die Rakete in eine bauchige Sangria-Flasche – und sie zischt in den nebligen Neujahrshimmel. Weiter oben lassen die Jünglinge die Raketen direkt aus der Hand steigen, die Hand in den Pulloverärmel gerollt. Die Silva- und Sousa-Frauen drücken sich gegen die Hauswände, ihre Kinder vor den Beinen, die flachen Hände vor den kleinen Oberkörpern verschränkt. Wir stehen da, nippen Sekt und schwenken Wunderkerzen.
    Bestimmt 30 Minuten geht das so, dann beginnt Teil zwei der Battle, das Synchronfegen. Die Männer, die eben noch im Akkord Raketen in die Luft gejagt haben, greifen zum Besen und bieten Ballett. Fegen, ausholen, fegen, ausholen, die Borsten schieben Berge durchweichter Pappe und gesprengter Kartons zusammen. Die Teenies flankieren den Auftritt mit weiteren Krachern.
    Es ist 0 . 55 Uhr, als sich ein de Sousa aus der Gruppe hügelanwärts löst und durch den Rauch der letzten Böller den Hang hinabschreitet, die Hände in den Hosentaschen, als sei er gerade vom Pferd gestiegen. Büdchen stellt sich in der Straßenmitte auf und stützt sich breitbeinig auf seinen Besen. Als sie beinahe Nasenspitze an Nasenspitze stehen, bleibt de Sousa stehen. Er und Büdchen blicken sich einige Sekunden reglos in die Augen. Wir befinden uns genau auf Höhe des Duells, verglommene Wunderkerzen in den klammen Händen. Dann wendet de Sousa seinen Blick und fragt uns: «Und? Wer war dieses Jahr besser?»
    «Ihr», sagt die Sozialmaja.
    «Ihr», sagt der Doc.
    «Finde ich auch», sagt Katrin.
    «Jau», sagt Melanie, «ganz klar.»
    Ich nicke.
    De Sousa grinst und blickt Büdchen an. Die beiden sagen nichts und umarmen sich brüderlich. Zeitgleich lösen sich die Frauen von den Hauswänden und lassen ihre Kinder los. Sie laufen auf die Straße, rennen und schreien. Jetzt wird angestoßen, alle miteinander, alle durcheinander.
    Wir gehen rein. Denn für uns ist das Schauspiel nun vorbei. Seit heute steht es 1 : 2 für de Sousa. 365 Tage noch bis zur nächsten Schlacht. Daniel schreibt mir eine SMS : «Frohes neues Jahr! Musste an unser letztes Silvester denken und vermisse Dich. Wünsche Dir alles Gute.» Ich antworte: «Alles Gute auch Dir.»
    Ich bin versucht, Björn eine Nachricht zu schicken, mit guten Wünschen, frohes Neues!, nur nicht zu persönlich – doch als hätte sie es geahnt, kommt just in dem Moment, als ich auf «Neue Nachricht» drücke, eine SMS von Schnecke: «Nessy-Schatz, alles Gute für 2011 ! Schön, dass Du bei uns bist! Und wehe, Du schreibst ihm! Stark bleiben, hart bleiben, glücklich werden!!!»
    Ich stehe da mit dem Telefon in der Hand, lächele und weine ein bisschen aus Rührung. Im vergangenen halben Jahr gab es so viele Momente, in denen mir warm ums Herz war, viele mit Björn, aber noch mehr mit Schmidtchen und Gabi, Eichhörnchen und Mel, Katrin, Schnecke und den Mädels, Iosif und Bunke. Nichts musste ich tun, um ihre Freundschaft zu gewinnen – ich musste einfach nur ich sein.
    Gegen vier Uhr liegen wir, auf Sofas und Isomatten verteilt, im Wohnzimmer. Das war ein schönes Silvester, denke ich. Melanie schnarcht leise. Katrin atmet tief. Ich blicke ins Dunkel, höre den letzten Böllern zu. Ein Blaulicht huscht durch das Zimmer, dann ist der Krankenwagen die Straße hinaufgefahren und wieder fort. Ich bin glücklich. Sehr glücklich.

    «Frohes Neues, mein Kind!»
    «Frohes Neues, Papa. Ein bisschen spät, oder?»
    «Da sagste was.»
    «Ich habe dir doch an Neujahr eine SMS geschrieben, aber du hast nicht geantwortet. Hast du noch Urlaub?»
    «Eigentlich wollte ich heute ausschlafen, aber um neun Uhr hat es an der Tür geklingelt. Ich denke: ‹Leck mich anne Futt, was ist das fürn Arsch, um diese Zeit!› Dabei waren das nur die Heiligen Drei Könige.»
    «Das kann passieren, Papa. Soll auch gar nicht so selten sein am 6 . Januar.»
    «Ich bin dann aufgestanden und habe die Tür aufgemacht. Da fangen die sofort an zu singen! Ich sag: ‹Moment mal eben!› Hatte ja nur eine Unterbuxe an, musste mir erst mal einen Bademantel überziehen. Und wie ich wiederkomme, sind die schon fertig. Die haben ihren Stiefel voll durchgezogen.»
    «Hattest du denn was im Haus, das du ihnen geben

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