Da gewöhnze dich dran
sich gut unterhalten fühlt.
«Er musste sich ausheulen?», plärrt die Schickse ins Telefon. «Bei ihrer besten Freundin – is klar! Hätt isch an seiner Stelle auch gesacht. Heult man neuerdings durch den Pimmel, odda was?»
Sie sieht sich im Abteil um, in dem um uns herum die Gespräche verstummt sind.
«Bleib dran, Alta, wir reden gleich weiter. Die Leute glotzen hier so spastisch …» Sie nickt und kaut Kaugummi. «Ja, Alta, is klar. Hadi tschüs.»
Wir fahren zur Sozialmaja und zum Doc, Freunden von Katrin und Melanie. Maja ist eine ehemalige Handballkollegin, die aus Dortmund fortgezogen ist, nachdem sie sich im Zuge einer Schulter- OP in ihren Anästhesisten verliebt hat und mit ihm sesshaft geworden ist. Die beiden wohnen in einer schmalen Straße nahe dem Mülheimer Bahnhof, die links und rechts von stuckverzierten Altbauten gesäumt ist. Die Treppe in den zweiten Stock knarrt stilecht, im geräumigen Esszimmer steht ein schwerer, langer Eichentisch mit einem Raclettegerät, von der hohen Decke hängt eine futuristische Lampe.
«Maja arbeitet in so ’nem Heim für gefallene Mädken», hat mir Melanie zwei Tage zuvor am Telefon erklärt. «Die kann Geschichten erzählen, sach ich dir! Und der Doc macht einen auf Betäubungsarzt. Deshalb nennen wir ihn auch Doc. Hat abba gar keinen Doktortitel. Odda wir nennen ihn den ‹jungen Mann›.»
«Warum ‹junger Mann›?»
«Weil er zwölf Jahre älter is als Maja und weil ihn dat wurmt. Deshalb.»
«Die beiden sind aber nicht verheiratet, oder?»
«Sie wartet seit Jahren, dat er ihr ’n Antrach macht.»
Ich habe Katrin von Björn erzählt. Katrin hat zugehört, hat den Doc und die Sozialmaja angerufen und gefragt, ob ich mitkommen könne. Sie macht nicht den Eindruck, als habe ihr ihr Bruder etwas von unserer kleinen Annährung erzählt.
Maja ist blondgelockt, trägt Brille, Cordrock und selbstgestrickte Socken. Der Doc ist schon leicht angegraut und passt mit Hemd, Cordweste und Taschenuhr gut ins Literarische Quartett. Wir sitzen beim Raclette, als Maja mit Geschichten ihrer Mädchen loslegt.
«Neulich hatte ich wieder mal die Eltern von der Jeanette da», sagt sie und füllt Brokkoli in ihr Pfännchen. Jeanette ist offensichtlich allen am Tisch ein Begriff, denn Katrin und Melanie nicken wissend.
«Jeanettes Mutter», erzählt Maja, «hat gemeint: ‹Frau Maja! Im Oktober hamse mir gesacht, isch soll die Dschanette nisch mehr schlagen. Hab isch gemacht. Hat abba nix gebracht. Die hört trotzdem nisch. Also hab isch sie widda geschlagen, und getz musse ins Heim, versteh isch nisch.› Mal ehrlich: Da packste dich doch an den Kopf.»
«Und was hast du geantwortet?»
«Ich habe ihr total pädagogisch erklärt, warum es nichts bringt, wenn man seine pubertierenden Kinder schlägt.»
«Hat’s gefruchtet?»
«Nö.»
Maja legt sich rohes Hack aufs Raclette. Ich bastele mir ein Pfännchen mit Blumenkohl und Mais. Der Doc schenkt Wein nach.
Als Maja mit einem Korb frischem Brot aus der Küche kommt, erzählt sie weiter: «Letzte Woche der Brüller: Angelique.»
«Die kenne ich», sage ich. «Ist die mit Jerome zusammen?»
«Nee, mit Hussein. Deshalb ist Angelique jetzt auch Muslima geworden. Sie ist ins Möbelhaus gegangen und hat sich ’nen Gebetsteppich gekauft. Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht irgendeinen Teppich kaufen kann, sondern dass auf dem Teppich der Mihrab drauf sein muss, der die Gebetsrichtung anzeigt. War ihr aber egal.»
«Und jetzt betet sie fünfmal am Tag?», fragt Katrin.
«Sie betet, wenn sie Spüldienst hat. Auf einem Flokati. Ich habe ihr erklärt, dass sie ab sofort keinen Alkohol mehr trinken darf, weil der Koran Alkohol verbietet. Fand sie nicht so cool. Seit vorgestern läuft sie jetzt mit einem Hakenkreuz auf dem Arm herum.»
«Nä! Wieso dat – hat Hussein Schluss gemacht?»
«Nee, aber sie findet, dass Ausländer voll asi sind.»
«Dann kann sie aber doch nicht mit Hussein zusammen sein.»
«Doch, Hussein ist ja Deutscher, hier geboren. Ich habe ihr die ganze Sache dann mal erklärt – wie das damals war, mit Hitler und so. Und warum es nicht so prickelnd ist, sich Hakenkreuze auf den Arm zu malen. Dann hat sie es abgewaschen. War ja nur mit Kuli aufgemalt.»
«Immerhin hat sie’s kapiert.»
«Erst, als ich ihr gesagt hab, dass man von Kuli Pickel kriegt. Kannst du mir mal die Mandarinen geben?» Sie deutet auf die Schale neben mir.
«Wegen der Spüldienst-Geschichte und noch so ein paar anderen
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