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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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Treppenabsatz stehen und lausche, aber in ihrer Wohnung ist es still. Kein Kalle, keine Gabi.
    Auf meinem Schreibtisch blinkt der Anrufbeantworter: «Hallo, Kind, hier ist Mama. Ruf mich doch mal zurück. Mir ist da was aufgefallen, als du mir gestern auf deinem Computer die Fotos von deiner Wohnung gezeigt hast.»
    Ich sehe auf die Uhr. Es ist kurz vor neun. Ein Rückruf geht gerade noch.
    «Ich muss da jetzt mal was ansprechen», sagt Mutter direkt nach dem Hallo. Sie klingt gehetzt.
    «Was denn?»
    «Da ist so eine Sache … die beschäftigt mich, seit wir gestern die Fotos auf deinem Laptop angeguckt haben.»
    «Ja, Mama, das sagtest du. Was denn?»
    «Als wir da geguckt haben», sagt sie, beendet den Satz ohne Punkt und schweigt bedeutungsvoll.
    «Was war da?»
    «Da hattest du ja auch kurz in deine E-Mails geschaut.»
    «Jaaaa …»
    «Also … da ist mir was aufgefallen.»
    «Mama! Was denn?»
    «Ich möchte ja nicht …, also es geht mich ja nichts an.»
    «Mama!»
    «Aber: Wer ist Dieter?»
    «Was?»
    «Wenn da was ist, das du mir sagen möchtest …»
    «Dieter?!»
    «Von dem du so viel Post bekommst.»
    «Mama … Dieter ist mein Chef.» Oh Gott. Wie absurd. Ich und Kaminski. Eher friert die Hölle zu. Aber immerhin gut, dass sie nicht nach Thorsten gefragt hat.
    «Und er schreibt dir Briefe?»
    «Mama, mit E-Mails ist das etwas anderes. Die verschickt man nicht wie Briefe. Sondern einfach so. Öfter. Mit Dokumenten dran. Oder er leitet E-Mails von anderen Leuten weiter, damit ich sie bearbeite. Oder er schickt mir was, damit wir dann gemeinsam darüber sprechen.»
    «Und das macht er so oft?»
    «Wir arbeiten eng zusammen.»
    «Sehr eng?»
    «Nicht so!»
    «Also nichts, das ich wissen müsste? Du weißt aber, dass du mit mir immer über alles reden kannst.»
    «Ja, Mama.»
    «Dann lass uns jetzt ins Bett gehen, Mäuschen. Ich wollte nur fragen. Was machst du eigentlich an Silvester?»
    An Silvester? Keine Ahnung. Ich habe noch keine Verabredung, dachte, ich würde mit Björn feiern, eigentlich hatten wir das geplant, aber nun?
    Vielleicht sollte ich mich bei Schmidtchens einladen. Lisbeth macht Erbsensuppe und einen Mett-Igel, wir sitzen in unseren Schlumperhosen auf dem Sofa, gucken im Fernsehen die Große Schlagernacht, um Mitternacht pusten wir jeder eine Luftschlange, Rudolf zündet ein Tischfeuerwerk, dann gehen wir ins Bett.
    Ja, das scheint eine gangbare Lösung.

[zur Inhaltsübersicht]
    Die Schlacht von Mülheim
    «Hier», sage ich und halte Schmidtchen einen Topf mit vierblättrigem Klee und einem verrenkten Schornsteinfeger hin. «Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch!»
    «Dat wär abba doch nich nötich gewesen», sagt Schmidtchen und ruft in die Wohnung hinter sich: «Kuck ma, Lisbeth, wat dat Etteken uns gebracht hat.» Er hält dabei den Blumentopf hoch. «Komm doch rein. Die Lisbeth bereitet grad Fleischfondue vor.»
    «Sie machen keinen Mett-Igel an Silvester?»
    «Mett-Igel gibt’s bei uns nich. An Heilichabend Kartoffelsalat mit Würstkes und an Silvester Fleischfondue. War schon imma so.» Er macht eine einladende Geste.
    «Danke, aber ich bin auf dem Sprung.»
    «Feierste auswärts?»
    «In Mülheim», sage ich. «Hat sich kurzfristig ergeben.»
    «Dann grüß ma schön vom alten Schmidtchen.»
    «Mach ich, Herr Schmidtchen. Soll ich sonst noch was ausrichten?»
    «Imma schön die Hände über de Decke lassen.»
    «Alles klar.»
    «Rutsch gut rein, Etteken. Und lass dich nich klauen.»
    Am Hauptbahnhof ist die Hölle los, es ist wie Karneval. Die Hälfte der Leute ist schon betrunken, die andere Hälfte versucht, nicht angerempelt zu werden. Ich treffe Melanie und Katrin am Bahnsteig. Im Regionalexpress riecht es nach einer Mischung aus Puff, Weinkellerei und einer in der Sporttasche vergessenen Tennissocke. Aus einem Ghettoblaster dröhnt Andrea Berg. Ein Handy klingelt Sido. Eine Schickse in zerrissener Strumpfhose, Minirock und Kreolen, in denen Papageienschwärme wohnen könnten, nimmt ab.
    «Alta, wat is?! Ich bin grad in so ’nem bepissten Regionalexpress. Hier sind lauter Spacken, also fass dich kurz.» Sie malmt auf ihrem Kaugummi. «Leck mich krass! Jerome hat Schluss gemacht? Heute? An Silvester? Dabei wollten er und Angelique doch Hochzeit machen!»
    Es folgt ein längerer Wortbeitrag vom anderen Ende.
    «Derb, Alta! Ich fass es nich! Er hat seinen kleinen Racker direkt in ihre beste Freundin reingesteckt?»
    Melanie macht eine «Daumen hoch»-Geste als Zeichen, dass sie

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