Da gewöhnze dich dran
Typen, der Limbo tanzen muss und für jeden Tanz unter der Stange einen Euro nimmt. Seine Jungs halten ihm einen Besenstiel auf Brusthöhe, niedriger ist nicht drin, der Tänzer hat schon zwei Promille, alles andere wäre zu gefährlich. Mit der Anmut eines trächtigen Schweins windet er sich darunter hindurch, aber wir sind kulant: Kerstin rückt einen Euro ihrer Einnahmen heraus und drückt ihm die Münze in die Hand.
Thore freut sich, dass ich aus dem Sauerland komme.
«Woher genau?», fragt er.
«Aus Menden.»
«Ach nee! Da war ich mal im Swingerclub!»
Ich sage ihm, dass ich den Swingerclub kenne, weil seine Eröffnung eine ziemlich große Sache in der Stadt war und weil ich auf dem Weg in die Stadt öfter mit dem Fahrrad dort vorbeigefahren bin – meine Mutter hätte mir dafür am liebsten die Augen verbunden, wenn das der Verkehrssicherheit nicht so abträglich gewesen wäre.
Thore zückt sein Handy und ruft voller Freude seine Frau an. «Ich habe hier eine Perle neben mir stehen, die unseren Swingerclub kennt!»
Mit Hand über der Muschel, sagt er zu mir: «Wir sind damals extra bis ins Sauerland gefahren, damit uns keiner erkennt.»
Er muss für zehn Minuten beiseitetreten, um das Gespräch friedlich zu beenden. Dann gibt er mir einen Drink aus, kauft Peniskekse, lässt sich hinten sein Waschetikett rausschneiden (Größe sieben), zieht vorne seinen Hosenstall auf und zeigt mir einen mit rot züngelnden Flammen bedruckten Schlüpfer. Ich schlage ihm anerkennend auf die Schulter und hebe meinen Daumen. Dann muss Thore weiter, der Limbotänzer und der Rest der Kompanie sind schon von dannen gezogen.
Ein Holländer, dessen Namen wir nicht verstehen, muss im Schweinekostüm durch die Partynacht laufen. Das Schweinekostüm besteht aus einem rosa eingefärbten Einwegschutzanzug. Als er den Reißverschluss aufzieht, sehen wir seinen nackten Bauch und einen Strauß rotblondes Brusthaar. Seine Brustwarzen sind groß wie ein Heiermann und so blassrosa wie ein nacktes Huhn, er hat leichte Herrentitten. Sein Job ist es, Telefonnummern zu sammeln, mit Edding auf dem Bauch, von Frauen oder von Männern, das ist egal. Die Mannschaft denkt sich Nummern aus und krakelt ihm den Bauch voll, jede für einen Euro, das beschert dem holländischen Team auf einen Schlag zwölf Euro Einnahmen oder fünf Bier und dem Delinquenten einen Jackson Pollock auf seinem weißen Bauch.
Nach jeder Station zückt Kinga eine Flasche mit selbstgebrautem Maracujaschnaps. Die Mischung ist einfach, aber genial: ein Liter Maracujasaft, ein Liter Wodka, Vanillezucker und Sahne. Die Sahne kann man auch weglassen, zum Geschmack trägt sie nichts bei, doch die Handballhühner bestehen darauf. Jede von uns hat ihr Pinnchen um den Hals, und wer es nach jeder Runde rückstandsfrei ausleckt, der bekleckert sich auch nicht mit sämigen Sahneresten.
Gegen ein Uhr halten wir inne und kehren in eine Dönerbude ein: elfmal Falafel für alle und einmal Pom-Döner für Lucy. Doch das Mahl will ihr nicht gefallen, sie mäkelt über die labbrigen Pommes in ihrer Teigtasche.
«Andere Länder, andere Fritten», sagt Katrin, alle lachen kurz, nicken wissend, beißen in ihre Falafeltaschen, Lucy lässt eine Pommes zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln, aber dann ist es auch gut. Langsam lässt die Albernheit nach.
Das Licht in der Imbissstube ist gleißend, die Tischdecke abwaschbar, der Blumenstrauß aus Plastik. Unsere Hände sind klebrig, wir werden müde und sitzen schweigend da. Nur Rosi stößt noch einmal auf – «’tschulligung, war nur ’n Entlastungsrülpser» –, ansonsten benehmen wir uns.
Gegen sechs Uhr bin ich zu Hause, hundemüde, leidlich betrunken und ein bisschen glücklich. Vielleicht liegt es aber auch nur am Maracujaschnaps, von dem ich allerdings gar nicht so viel getrunken habe. Ich muss jedenfalls keinen Fuß aus dem Bett hängen lassen, um den Music Express zu bremsen, sondern schlafe friedlich ein.
Am nächsten Tag gewinnen wir mit 28 : 16 gegen den Tabellenletzten. Wir spielen nicht gut, gegen Tabellenletzte ist es immer besonders schwierig, aber wir fahren einen Pflichtsieg ein, so wie es sein muss. Schnecke und Kerstin, die am Vortag das meiste getrunken haben, werfen beide acht Tore – sie können’s angekatert am besten. Abends sehe ich in der Tabelle: Wir bleiben Tabellenzweiter, denn die Konkurrenz hat auch gewonnen.
Ich sitze auf dem Sofa und sehe mir Fotos von Björn und mir an: Handybilder, spontane
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