Da haben wir den Glueckssalat
dass ich es zwei volle Monate bei der ausgehalten habe! Ich finde schnell einen neuen Job. Mach dir um mich keine Gedanken. New York ist eine große Stadt. Ich werde was anderes suchen.« Sie unterbricht sich kurz. » Oder vielleicht steige ich ja auch ins Food-Truck-Geschäft ein.«
» Ha!«
Als wir kurz darauf über die Brooklyn Bridge fahren, kehrt der quälende Gedanke, den ich während der letzten paar Stunden ganz weit nach hinten verdrängt habe, mit einem dumpfen Aufschlag zurück. Heute Abend kommt Cosmo mit seinen Schergen Nicky und Nolan, um seine zehntausend Dollar abzuholen. Die ich nicht habe. Was habe ich erwartet? Dass Lina mir einfach zehntausend Mäuse in die Hand drückt? Dass sie an einem Sonntagnachmittag jemanden findet, der mein Geschäft kauft? Ich bin eine Idiotin.
Ich werde Cosmo einfach bitten– na schön, ihn anflehen–, mir achtundvierzig Stunden Aufschub zu gewähren. Ich werde ihm erklären, dass mir das Geld gestohlen wurde (wegen des irren Nolan!) und dass ich ein bisschen länger brauche, um es zusammenzukriegen. Und falls morgen etwas dabei herauskommt, was Lina auch immer vorhat, werde ich zuschlagen.
Und wenn meine Eltern am Dienstag kommen, werde ich ihnen persönlich erklären, wofür ich das Geld benötige. Wenn sie Toto sehen und auch, wie hart ich gearbeitet habe, werden sie vielleicht ihre Meinung über mich ändern. Vielleicht werden sie dann nicht so enttäuscht sein.
Und danach werde ich Brooklyn verlassen und meine Eltern nach Zürich begleiten, wo ich mir irgendeinen langweiligen Bürojob suche, um ihnen jeden Cent zurückzahlen zu können. Und dann gehe ich wieder nach New York und fange von vorn an.
So soll es halt sein.
29
Irgendwie fühlt es sich falsch an, Vics Wohnung zu betreten. Als würden wir etwas Illegales tun. Julia holt tief Luft, als wappne sie sich gegen ihre Trauer. Ich möchte es ihr nur einfacher machen. Dass Cosmo in drei Stunden hier auftaucht, ist nicht wirklich ein Problem, verglichen mit dem, was Julia gerade durchmacht. Es ist nicht fair, dass eine Person so oft Abschied nehmen muss von Menschen, die sie liebt.
» Ich kümmere mich um Maries Bett«, sage ich. » Du gehst in die Küche und siehst dort nach dem Rechten.«
» Es ist die zweite Tür rechts«, erwidert Julia.
In der Wohnung ist es unheimlich still. Ich gehe in Maries Schlafzimmer. Das Einzelbett und die rosa Bettwäsche mit dem Rosenmuster verursachen sofort einen Kloß in meinem Hals, obwohl ich gar nicht richtig weiß, warum. Auf der Frisierkommode und dem Nachttisch stehen Dutzende Fotos, Maries zierliche Armbanduhr liegt dort und ein kleiner Reisewecker, der aussieht wie ein Dekor aus der Mad-Men -Kulisse, daneben liegt aufgeschlagen eine zerfledderte Ausgabe von Mariana von Monica Dickens.
Rasch ziehe ich das Bett ab und werfe die Bettwäsche in die Ecke. Dann falte ich den Überwurf und stapele die Kissen darauf. Die Matratze wirkt winzig und hilflos, so nackt.
Anschließend gehe ich in Vics Zimmer und beziehe auch sein Bett neu. Dann öffne ich die Vorhänge und das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Vics Zimmer ist picobello– nicht ein Staubkörnchen. Hier gibt es nur ein Foto: das Schwarz-Weiß-Porträt einer jungen Frau, die fröhlich lächelt und die Augen vor der Sonne abschirmt. Sie sieht aus wie Katharine Hepburn, sie hat lediglich größere Augen und ein kleines, spitzes Kinn. Das muss Eleanor sein, ich lag richtig mit meiner Vermutung, dass sie Vics Frau war.
Plötzlich komme ich mir vor wie ein Eindringling.
» Julia?«, rufe ich. » Alles klar?«
Keine Antwort.
Ich hebe die Bettwäsche vom Boden auf und eile in die Küche. Julias Kopf steckt im Kühlschrank, sie inspiziert den Inhalt.
» Wir müssen Frischmilch, Butter und Brot kaufen«, sagt sie. » Außerdem würde ich für Vic gern eine Suppe oder einen Auflauf kaltstellen, damit er etwas zu essen hat, wenn er morgen nach Hause kommt.«
» Jules, ich werde die Sachen oben bei uns waschen, okay? Kommst du mit? Die Wohnung ist tipptopp. Du musst hier nicht bleiben.«
Julia nickt. Sie hört mir kaum zu.
Ich nehme ihre Hand, und wir gehen wieder nach oben. Draußen fällt das Laub, und die Union Street wirkt ungewohnt leer. Deprimierendes Sonntagabendwetter.
Nachdem ich die Wäsche in die Waschmaschine verfrachtet habe, gehe ich in mein Zimmer und lege mich aufs Bett.
Noch drei Stunden, bis Cosmo kommt.
Wisst ihr, was das Schlimmste ist? Ich hasse die Vorstellung, dass ich meine
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