Da haben wir den Glueckssalat
Eltern bitten muss, mir wieder einmal aus der Klemme zu helfen. Sie leben in Zürich. Das ist die Stadt, die den ganzen Sonntag schläft: Man kann nichts unternehmen, nirgendwohin gehen. Mein Vater liest die Financial Times und murmelt dabei leise vor sich hin. Meine Mutter telefoniert mit ihren Schwestern und jammert ihnen vor, was für eine verwöhnte, dumme und zutiefst enttäuschende Tochter ich bin.
In zweiundzwanzig Jahren habe ich meine Eltern nie überrascht… jedenfalls nicht positiv. Und sie haben noch nie verlauten lassen, dass sie stolz auf mich sind. Nicht einmal. Es ist, als fürchteten sie, ein solches Lob könnte mich überheblich machen. Der Schuss ging nach hinten los: Ich wurde gleichgültig.
Nun, nachdem ich so lange nicht mehr mit meinen Eltern gesprochen habe, kann ich unser Verhältnis betrachten, wie es wirklich ist. Dass ich vermeintlich immer gehorchte, aber schnell raushatte, wie ich mich einschmeicheln und meine Eltern um den Finger wickeln konnte, sei es, weil ich mehr Geld von ihnen haben wollte oder einen aufsichtsfreien Urlaub mit Angie. Und nun werde ich wieder angekrochen kommen, um sie zu bitten, meine Schulden in Höhe von zehntausend Dollar zu übernehmen.
Wenn ich meine Eltern wäre, würde ich wahrscheinlich auch nicht stolz auf mich sein.
Aber ich habe mich geändert. Seit sechs Wochen habe ich wirklich das Gefühl, ein Ziel zu haben: das SchlankMobil. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich mir meiner selbst sicher, zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ich dort bin, wo ich hingehöre. Dass ich zu Hause bin.
Ich stehe auf und fange an, mein Zimmer aufzuräumen. Ich besitze Dutzende von High Heels, aber seit Wochen ziehe ich jeden Tag dieselben Chucks an. Albern.
O Gott, ich liebe dieses Zimmer, ich liebe dieses Haus. Ich liebe alles daran, von der abblätternden Tapete bis zu dem knarrenden Holzboden. Ich will nicht weg. Ich will bleiben und hier für alle Zeiten zu Hause sein. Ich will meinen Freundinnen helfen, ihren Weg im Leben zu finden. Ich will mit Aidan reden und mich für alles entschuldigen.
Ich will alles. Aber ich kann nichts davon haben.
Ich gehe ins Bad, um die Bettwäsche in den Trockner zu stecken, anschließend laufe ich hinaus auf die Veranda. Draußen ist es kühl und windig. Der Sommer ist endgültig vorbei.
Spontan lege ich mich rücklings auf den Holztisch, breite die Arme aus und schaue hoch zu dem trüben grauen Himmel über mir. Dann schließe ich die Augen und beginne zu sprechen.
» Danke, dass du mich so weit gebracht hast.« Meine Stimme klingt klar in der Abendluft. » In den letzten sechs Wochen bin ich gefeuert geworden, pleitegegangen, wurde bedroht, war betrunken und high und bin verhaftet worden. Meine Geschäftsidee wurde kopiert, mein Eigentum mutwillig zerstört, und mein Liebesleben findet nicht statt. Und ich bin noch hier. Ich lasse mich nicht unterkriegen, egal, was passiert. Ich verspreche, ich werde mir überlegen, was ich als Nächstes mit meinem Leben anfange, und ich werde es wahrmachen. Alles wird gut.«
Während ich es ausspreche, wird mir bewusst, dass es die Wahrheit ist. Es wird wirklich alles gut.
» Aber ich brauche dich heute Abend, um meine Freundinnen zu beschützen. Es ist meine Schuld, dass Cosmo hierherkommt, und es ist auch meine Schuld, dass ich seine zehntausend Dollar nicht habe. Und es tut mir leid, aus tiefstem Herzen, dass ich das mit Cosmo jemals für eine gute Idee gehalten habe. Ich habe meine Lektion gelernt. Ich verspreche… ich verspreche, ich werde denselben Fehler kein zweites Mal machen. Lass einfach nicht zu, dass jemand zu Schaden kommt. Bitte gib mir ein Zeichen, falls du mich hören kannst.« Ich öffne die Augen und atme tief durch. » Nur ein Zeichen. Mehr verlange ich nicht.«
Und genau in diesem Moment fängt es an zu regnen.
Kein Tröpfel-tröpfel-plitsch-platsch-Sommerregen, sondern ein plötzlicher Wolkenbruch, als gäbe es Special-Effects-Leute im Himmel, die wütend » Platzregen« in ihre magische Wettermaschine eingegeben hätten.
Ich schließe wieder die Augen und lächle zum Himmel hoch, spüre die Regentropfen im Gesicht und auf meinem Körper. Ich trage einen weiten Sweater und ausgebeulte alte Jeans, weshalb es eine Weile dauert, bis ich durchnässt bin. Ich werde einfach liegen bleiben und es genießen, mir den kalten Regen über das Gesicht und in die Haare und den Nacken laufen lassen.
Noch zwei Stunden, bis Cosmo kommt.
30
Um sechs Uhr sind alle zu Hause. Wir
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