Da haben wir den Glueckssalat
Lobby ist angenehm– weitläufig, hell, mit bequemen Sitzmöbeln und schön begrünt. Aber ich bitte euch. Vier Stunden?
Seltsamerweise bin ich erschöpft von diesem stundenlangen Warten auf nichts. Ich habe einen derart sauren Geschmack im Mund, dass ich mir sicher bin, dass man es an meinem Atem riechen kann. Mein Kopf schmerzt, mein Rücken ist steif, ich habe jede Zeitschrift, die in der Lobby ausliegt, schon zweimal gelesen, und für einen Wodka mit Eis würde ich einen Welpen treten.
Schlimmer noch, mein Handy– das immer noch stumm geschaltet ist– zeigt ständig entgangene Anrufe an. Von meinem Vater. Meine Eltern schwirren irgendwo in New York herum und suchen mich.
Warum lässt Lina mich hier so lange schmoren, dass ich vor Sorge fast umkomme? Ich sollte wohl besser gehen. Sie bringt es einfach nicht übers Herz, mir zu sagen, dass ich hier meine Zeit vergeude. Die SchlankMobil-Idee zu verkaufen, war ein alberner Wunschtraum. Ich kann hier nicht den ganzen Tag herumsitzen. Ich habe Eltern, mit denen ich reden muss, Geld, das ich mir leihen muss, Kredite, die ich abbezahlen muss, und einen Flug in eine kalte europäische Stadt, den ich kriegen muss…
» Pia! Entschuldigen Sie vielmals!« Lina eilt aus dem Aufzug, ein breites Lächeln auf den Lippen. » Kommen Sie, ich erkläre Ihnen alles auf dem Weg. Es war die Hölle heute«, sagt sie. Wir betreten den Aufzug. » Ich hatte ein Meeting nach dem anderen. Tut mir furchtbar leid, dass Sie so lange warten mussten. Sicher sind Sie vor Langeweile fast gestorben.«
» Nein, nein, schon okay! Das macht nichts!«, erwidere ich so fröhlich ich kann. » Was… worum ging es in den Meetings?«
» Ich habe alles für Sie vorbereitet«, antwortet sie.
» Vorbereitet?«
» Ich erkläre es Ihnen gleich«, sagt sie und grinst mich voller Begeisterung an.
Und plötzlich fühle ich mich genauso. Lina ist die geborene Anführerin. Mag sein, dass ich in den Kampf ziehen muss, aber ich bin nicht allein.
Ich folge ihr durch einen Gang mit verglasten Büros auf beiden Seiten, von denen man einen Ausblick auf die City hat. Das ist der hübscheste Arbeitsplatz, den ich jemals gesehen habe. Wände in einem beruhigenden Taubengrau, dunkle, glänzende Schreibtische und eine sanfte, warme Beleuchtung. Ganz anders als die billige Ikea-Einrichtung in der PR -Agentur und die kalte, fluoreszierende Atmosphäre in den Vermittlungsagenturen.
Wir setzen uns in ein leeres Besprechungszimmer. Ich strenge mich sehr an, einen ruhigen Eindruck zu machen.
» Okay«, beginnt Lina. » Pia, bevor ich Ihnen sage, was genau ich vorhabe, möchte ich mit Ihnen ein paar Fragen durchgehen. Über die meisten Themen haben wir gestern schon gesprochen, aber ich möchte sichergehen, dass ich nichts vergessen habe und wir uns einig sind, bevor Sie dem großen Mann alles erklären.«
» Okay, fangen Sie an«, sage ich. Dem großen Mann?
Lina schnappt sich ihren Ordner und ihren Schreibblock und schießt los. Wann hatte ich die Idee für das SchlankMobil? Wie habe ich es angefangen? Warum habe ich geglaubt, dass es funktioniert? Was war mein erster Schritt? Wie hoch war mein Startkapital? Wie hoch sind meine Tagesumsätze? Wie hat sich die Idee entwickelt? Wie würde ich expandieren, wenn ich könnte? Wie kam ich auf die Rezepte? Wie habe ich meine Social Media Strategie entwickelt? ( » Meine was?… Ach so, Twitter und so weiter.«) Was denke ich, wie ich im Vergleich mit anderen Food Trucks abschneide? Was halte ich für ausschlaggebend, ob ein Food Truck Erfolg hat oder nicht?
Nach einer Stunde Befragung bin ich voller Energie. Über das SchlankMobil zu reden und darüber, wie ich das Konzept umgesetzt habe, ist richtig spannend, und mir fällt wieder ein, wie sehr ich meinen Job liebe. Tatsächlich bin ich stolz auf mich. Ich zeige Lina die Fotos, die Angie geschossen hat, und sie ist beeindruckt.
» Ich weiß, das Geschäft ist erst sechs Wochen alt«, sage ich. » Und dass der Wachstumskurs…« (ein Begriff, den Lina zuvor benutzt hat und den ich seitdem dreimal verwendet habe, ich sollte wirklich damit aufhören), » …nicht aufrechtzuerhalten ist. Ich meine, natürlich ist der Umsatz gestiegen, seit ich auch Frühstück anbiete, schließlich ist das eine Mahlzeit zusätzlich, und Pfannkuchen sind unglaublich günstig in der Herstellung. Aber sonst könnte ich nur noch Abendessen ins Programm aufnehmen, was viel komplizierter zuzubereiten ist in einem so alten Truck wie meinem, vor
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