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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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ganzen Körper und zog sich mit der Kleinen in ihren fensterlosen Korridor zurück. «Weißt du, im Radio, da erzählen sie immer so was Schreckliches…»
    Sie nahm das Kind mit in die Küche, die zur anderen Seite, zum Hof hinausging, und steckte es in ihren «Indio-Beutel», jenes höchst sinnvolle rucksackähnliche Gebilde, das es fürsorglichen Müttern gestattete, ihre kleinen Lieblinge immer ganz körpernahe bei sich zu haben.
    «So, Katharinchen, hier ist es schön kuschelig, was, und keiner kann dich hier wegholen…!» Ihr Blick fiel auf ihre bereitgelegte Super-8-Kamera. «Ach, Gott, nun kann die Mami dich gar nicht mehr abfilmen! Und dabei wollte ich doch nachher noch den fertigen Film in den Kasten stecken und zum Entwickeln schicken, gleich mit der Adresse vom Papi hinten drauf… Ach, was ist die Mami wieder dumm heute!» Sie stutzte. «Sag mal, was ist ‘n das da…!?» Obwohl ihre Brille nicht gerade optimal war für solch kurze Entfernungen, hatte sie masernähnliche Flecken auf dem Gesichtchen vor sich entdeckt. «Gott, Kind…!»
    Sie eilte in das Wohnzimmer zurück, um im abc für junge Mütter nachzusehen. Masern, also doch! Nein, unmöglich. Mückenstiche vielleicht oder irgendwelches Ungeziefer. Eine Allergie womöglich…? Aber wogegen?
    Sie schlug nach, doch ein Stichwort «Allergie» gab es da nicht, versuchte es nun unter «Ausschlag», doch wiederum ohne Erfolg, forschte immer aufgeregter, bis sie endlich beim «Kinderöl» gewisse Anhaltspunkte fand: Die Regel, K. nach jedem Bade zum Einölen des gesamten Körpers zu verwenden, ist dagegen nicht für jedes Kind empfehlenswert, denn insbesondere Säuglinge mit empfindlicher Haut können danach an Hautausschlägen erkranken…
    «Aha, meine Süße, da haben wir’s ja: zuviel Kinderöl! Na, wenigstens müssen wir jetzt beide nicht zum Arzt. Du weißt ja, daß ich da…»
    Weiter kam sie nicht, denn unmittelbar über ihr schrillte nun die Klingel. Sie fuhr zusammen, zitterte am ganzen Körper, hielt den Atem an: Der Mann unten auf der Straße…!
    Die Klingel setzte wieder ein, und sie wie ihre Angst ließen die Kleine nun aus Leibeskräften schreien, sosehr Vera das kleine Köpfchen auch an ihre Bluse drückte.
    Erst in einer kleinen Atempause hörte sie von draußen, vom Treppenhaus her eine metallisch-schöne Frauenstimme, so eine, wie sie sie im SFB immer das «Soundcheck!» hallelujate.
    «Ich bin’s nur: Tatjana – keine Panik…!»
    Vera rührte sich noch immer nicht.
    «Mach schon auf; ich weiß doch, daß du da bist! Vera, hallo!»
    «Ja, Momentchen, ich komm ja schon…! Ich bin hier gerade mit der Kleinen…!» Mit ein paar Handgriffen schuf sie in Küche, Korridor und Zimmer noch ein wenig Ordnung, dann ging sie zur Tür, hakte ihre Kette aus, schloß auf und öffnete mit aller Vorsicht, nachdem sie vorher noch sekundenlang durch den Spion geschaut hatte.
    «Tatjana… Guten Tag… Lange nicht…»
    «Bald ‘n Jahr fast, oder, seit der Party damals bei Jessi nicht mehr…» Jetzt erst, als die Tür vollends aufgezogen worden war, entdeckte sie das Baby im Känguruh-Beutel. «Was denn, Mensch, Vera, du hast geworfen…!?»
    Vera zuckte zusammen, fand diesen Vergleich ziemlich ordinär, war aber unfähig dazu, nun ihrerseits bissig zu werden, etwa auszurufen: Besser Muttersau als kinderlose Nymphomanin, obwohl es sich in ihren diffusen Gefühlen in diesem Sinne formte.
    «Ja, dann komm mal rein…» Sie war sehr zögerlich. «Aber wenn du mich wieder anpumpen willst, ich…»
    Tatjana lachte. «Nein, ich bin nur ganz zufällig hier. Das heißt, ‘ weil oben im sechsten Stock ‘ne Wohnung frei ist, und die hab ich mir eben schnell mal angesehen.»
    «Weiß ich gar nichts von…» Vera schloß die Wohnungstür wieder ab und wies Tatjana mit einer knappen Geste den Weg ins Zimmer. «Da lang, bitte… Ich denke, du wohnst Angerburger Allee, da am Stößensee unten…?»
    «Schon, aber das wird mir langsam zu teuer da…» Tatjana ließ sich aufs Sofa fallen und verfolgte mit ihren schläfrig-scharfen Katzenaugen fasziniert zwei Hochbahnzüge, wie sie unaufhaltsam aufeinander zuschossen, sich – jetzt! – krachend ineinanderbohren mußten, dann aber, die Perspektive hatte natürlich getrogen, sanft aneinander vorbeiglitten, friedlich Abschied voneinander nahmen. «Toll, du, deine Aussicht hier! Aber das Tollste ist ja doch dein Baby! Wau! Wie biste denn zu dem gekommen…!?» Auch diese Frage konnte als Affront verstanden

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