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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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vermummt, schnitten ihm den Weg zum Haus hin ab, wollten ihn in Richtung Havel treiben, hielten aufgeklappte Messer in der Hand.
    «Du schnüffelst nicht mehr rum!»
    Westside Story. Unwirklich alles, Film. Ein Blick hin zum Balkon. Tatjana war verschwunden. Er fror. Und mit Entsetzen merkte er, daß er vergessen hatte, den vollen Präser abzustreifen. Er schämte sich, und der Gedanke war ihm furchtbar peinlich, daß die Polizisten und die Ärzte, wenn man ihn bewußtlos finden würde, tot womöglich, diesen Tatbestand im Protokoll vermerken würden.
    Lauf, Mensch, lauf, sie stechen dich ab!
    Bilder zuckten in ihm auf, trafen ihn wie Laserblitze in der Disco: Bramme, Markt, wie er in allem Frieden dort hockte – Mondschein überm See, dem Brammer Meer, und er mit Gunhild im Boot – Berlin, er mit Jessi und der Kleinen im Wagen auf dem rummelbunten Kudamm beim Bier.
    Er hatte viel geschrieben über eine Welt, in der alles bis ins letzte Detail hinein geregelt und gesteuert wurde; Gott, da durfte es eine Szene wie diese einfach nicht geben! Angstneurosen, Alpträume; Schluß damit, aufwachen!
    Dabei rannte er wie seit Abiturszeiten nicht mehr, jagte von der Angerburger Allee her durch einen verluderten märkischen Wald zur Havelchaussee, zum Stößensee hinunter, verlor jede Gewißheit, hier noch immer in Berlin zu sein, glaubte sich in einem Niemandsland irgendwo zwischen Dänemark und Bramme, hetzte weiter, trat sich Splitter ein, stieß sich an Steinen und Wurzeln seine Zehen wund, hielt aber durch, war zähe und bei gar nicht mal so schlechter Kondition.
    Endlich hatte er Asphalt unter den Füßen, sah hoch über sich auf einem Damm Autos flitzen, die roten Schlußlichter wie bei einem lange belichteten Foto zu endlosen Schlangen gezogen, weit über die Brücke hinweg, deren Konstruktion ihn an den Eiffelturm erinnerte. Stand er erst da oben, war er gerettet. Doch vorher ging es in einer Art Burg, in einem Turm Hunderte von Stufen nach oben; und seine Verfolger hatten zwar eher ein wenig an Boden verloren, hingen aber noch immer keine zwanzig Meter hinter ihm, und mit einigem Schrecken hörte er bei einem von ihnen ein Walkie-talkie quaken.
    Fast war er versucht, anzuhalten und in aller Ruhe mit ihnen zu reden: Jungs, laßt mich zufrieden, ich schwör euch, daß ich nichts weiß! Ja, sicher, durch mich isses rausgekommen, daß euer Grobi da bei der Nutte im Sarg dringesteckt hat; aber das ist nichts weiter als reiner Zufall gewesen! Weiter weiß ich wirklich nichts! Und das interessiert mich jetzt auch gar nicht! Das einzige, was mich jetzt interessiert, ist die kleine Yemayá, sonst nichts!
    Doch er wußte auch, daß es ihm verdammt wenig genutzt hätte.
    Also weiter, sich nicht mißhandeln und womöglich gar abstechen lassen.
    Aber seine Angst war nur das eine, auf der anderen Seite war er Vollbutjournalist und fragte sich natürlich auch, wie denn diese wunderbare Chance zu nutzen sei, Grobis Mörder dingfest zu machen. Denn daß er sie oder wenigstens zwei Männer aus derselben Gang und mit demselben Strippenzieher hinter sich hatte, daran konnte ja kein Zweifel sein.
    Unmöglich aber wohl, daß ein Hase seine Jäger ins Gefängnis brachte.
    Ein Auto kam ihm entgegen, unten noch auf der Havelchaussee, die Scheinwerfer aufgeblendet wie eine zur Landung ansetzende Boeing. Sollte er ihm vor den Kühler springen und winken? Ja. Nein. Dazu hätte er abstoppen müssen, und die beiden Jungs hinter ihm hätten ihn gehabt, wenn der Fahrer nicht… Außerdem: sein Kondom, gefühlsecht, in der Hose, noch immer nicht hinausgerutscht, und damit auf der Polizei… Es war absurd: lieber ließ er sich erstechen, als mit solchem Ding erwischt zu werden. Es war dasselbe wie vor zwanzig Jahren, wo sie als pubertierende Knaben…
    Die Treppenstufen, Achtung, bloß nicht stolpern, bloß nicht stürzen! Da wären sie über ihm gewesen wie die Wölfe, hätten ihn zerfleischt.
    Wie ein Hase, im Zickzack, immer wieder Haken schlagend, lief er nun die Treppen hoch. Keuchte, hätte sich am liebsten seine Lungen aus dem Hals gekotzt, so schmerzten sie, glaubte, jeden Augenblick mit einem Wadenkrampf niederzustürzen, hatte die Bilder erschöpfter Fußballer deutlich vor Augen; Verlängerung, hundertzehnte Minute.
    Nach Grünspan schmeckte seine Zunge, in seinen Ohren rauschte es, als hielte er sich eine große Muschel dagegen, und in seiner Nase hing ein Geruch von frisch verströmendem Blut; doch er peitschte sich immer weiter voran,

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