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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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schien ihm furchtbar dröge, nicht mundgerecht genug für ihn.
    Wie ein seniler alter Knacker begann er, vor sich hinzubrabbeln: «Hier Detektiv zu spielen ist ja auch die letzte Scheiße!» Aus der amerikanischen SVT-Schule (Saufen-Vögeln-Töten) kam er sicher nicht. Pech für ihn, wo doch dieser Typ von Detektiv wieder sehr in Mode war, von den Kritikern, die selber gerne rülpsten und den Bauch vor alles stellten, mächtig hochgejubelt wurde. Von uns Deutschen so geliebt, so C. C. im s-f-beat, weil’s halt von unserer Sch(m)utzmacht kommt, geheiligt werde ihr Name, und legitim faschistisch ist.
    Mannhardt, denk an den § 53 des Bundesbeamtengesetzes: «Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben.»
    War Denken schon Betätigung?
    Hör auf zu denken!
    Mannhardt, ACTION!
    Wie denn, wo er hier auf Wuthenow zu warten hatte?
    Er sah der S-Bahn hinterher, einem Züglein aus vier Wagen, sandgelb und rubin, das aus dem Lehrter Stadtbahnhof kam und auf einer schön geschwungenen stählernen Brücke fast tastend langsam gen Osten kroch, über die trüben Wasser des Humboldt-Hafens hinweg, eine aufgelassene Straße, die Mauer, hart an der altersbraunen Charite vorbei, und er mußte unwillkürlich schmunzeln, als ihm wieder einfiel, daß die DDR den Westberliner Zug das kurze Stück zum Ostberliner Bahnhof Friedrichstraße nur mit eignem Eisenbahner fahren ließ; ein jedesmal hatten die Führerstandsmänner auf dem ersten beziehungsweise letzten Bahnhof im Westen zu wechseln.
    «Hallo! Was machst du denn hier…?»
    Mannhardt fuhr herum, bemerkte Horst und Stefanie in ihrem Passat, wußte vorerst keine Antwort, stotterte nur. «Ich…? Ich…»
    «Sag bloß, du hast hier ‘n Rendezvous mit Wuthenows Genossin Ehefrau?» spottete Horst. «Ja, ja: Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben…»
    «Nein, nein…» Endlich war ihm etwas eingefallen. «Ich warte hier auf meinen Sohn; der fährt doch Taxe und soll selbige hier abstellen, damit dann sein Kollege… Der kommt hier mit der S-Bahn an… Und ihr?»
    «Wir wollen zur Ausstellung hier…» Stefanie zeigte zum alten Hamburger Bahnhof hinüber, zur Reise nach Berlin.
    Sie sprachen noch ein paar Minuten über dieses und jenes: das Wetter, die Tour de France in Berlin, Steffi Grafs 6:0, 6:2 über Pam Shriver und die Unwetter in Österreich.
    «Und wir wollen übermorgen dahin in Urlaub fahren!»
    «Wohin denn?»
    «Nach Kärnten, an den Klopeiner See.»
    «Furchtbarer Massenbetrieb!» rief Mannhardt. «Sind wir mal mit den Kindern dagewesen. Abends auf der Seepromenade schlimmer als Weihnachten aufm Kudamm. Und das Hotel, in dem wir waren: hektisch, unpersönlich, nur aufs Geldverdienen aus, Schimmelpilze an den Wänden und der Badesteg so, daß man sich pro Tag mindestens zwei Splitter eingerissen hat – sofern man bei der allgemeinen Überfüllung überhaupt noch raufgekommen ist –!»
    Mannhardt tat es leid, ihnen die Vorfreude derart verdorben zu haben.
    Die beiden verabschiedeten sich schnell, wollten das Glück einer Parklücke drüben am alten Hamburger Bahnhof mit schnellem Hineinstoßen nutzen, und Mannhardt hatte Mühe, diese Begegnung als wirklich geschehen zu werten: Das konnte doch nicht sein, daß andere ganz normal-alltäglich weiterlebten, während sie – Jessica, Wuthenow, Corzelius und er – seit zweieinhalb Tagen auf einer völlig anderen Lebensbühne spielten, ganz andere Menschen waren: völlig überreizt und dadurch ständig von Stimmen und sich jagenden Bildern erfüllt, nicht mehr Herr ihrer Sinne, sondern von kleinsten Impulsen wie Apparate angeknipst…
    … die S-Bahn oben, heimkehrend aus dem Hauptstadtteil Berlins. Vier Stationen später war sie am Savignyplatz, rollte die silbern aufblitzenden Gleise entlang, auf die sich Jessica geworfen hätte, wäre nicht sein Schrei gewesen.
    Da kam Wuthenow, kurvte sein schwarzer Volvo an den letzten Betonquadern vorbei, passierte die Westberliner Zoll- und Polizeibaracken, ohne daß das einen kümmerte.
    Mannhardt duckte sich leicht, tat so, als suchte er in seinem Handschuhfach nach wichtigen Dingen, und wartete, bis der Genosse Kronprinz, wenn dem denn wirklich so war, die erste große Ampelkreuzung passiert hatte, folgte ihm dann in sicherer Entfernung die Invalidenstraße westwärts entlang, war anderthalb Minuten später alles andere

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