Da hilft nur noch beten
als erstaunt, als knapp vor der Untersuchungshaftanstalt Moabit ein grauer Kadett aus einer Parklücke schoß und dem Staatskarossen-Volvo folgte; John F. wer sonst.
Mannhardt kannte ja das Ziel der beiden: Jessicas Haus, und konnte sich somit die Verfolgung ersparen, tat nun endlich das, was er vorgestern («Idiot, ich!») glatt vergessen hatte, sich nämlich Johns Wagennummer zu merken.
Diese im Kopf, hielt er in der Nähe des Hansa-Theaters, um von einer Zelle aus den Kollegen Koch telefonisch nach dem sehr verehrten Halter des Wagens zu fragen. «… der hat mir eben beim Einparken die halbe Tür eingedrückt…!»
Es dauerte ein Weilchen, dann stellte sich heraus, daß John F. ein Westberliner Bürger war, im Wedding wohnte, in der Türkenstraße, als Beruf Versicherungsvertreter angegeben hatte und mit dem Namen Tietz, Claus-Peter, im Register stand.
Mannhardt dankte heiß und innig und machte sich dann auf zum Wedding.
Er kam die endlos lange Müllerstraße, den «Boulevard des Nordens», von Fenn- und Seilerstraße herauf, dem Schering-Areal, und erreichte das sogenannte «Türkenkriegs-Viertel» gleich hinter der großen BVG-Werkstätte, wo sie U-Bahn-Wagen reparierten (sein beliebtestes Ziel beim «Tag der offenen Tür»).
Türkenkrieg… Das meinte nicht die gewesenen Scharmützel zwischen Berlinern und Türken, sondern sollte an die Türkenkriege Österreichs erinnern, an denen, wie Mannhardt als Fontane-Kenner wußte, auch achttausend Brandenburger teilgenommen hatten; unter ihren Generalen Hans Adam von Schöning, Hans Albrecht von Barfus und einem der vielen von der Marwitz dabeigewesen waren, als die christlichen Truppen am 2.9.1686 die Festung Ofen (später Buda) erobert hatten. Damals, so wußte sich Mannhardt einer der vielen Episoden in Fontanes Oderland noch lebhaft zu erinnern, hatte Barfus zwei besonders tapfere Türken mit nach Berlin gebracht, als Geschenk für seinen Kurfürsten, während Schöning seinen mordenden Soldaten zwei türkische Mädchen gerade noch entreißen konnte, von denen die eine, Fatime, von ihm erzogen und zur blendenden Schönheit herangereift, fast dem stürmischen Werben Augusts des Starken nachgegeben hätte, also der Sachsen Königin geworden wäre. Mit einem anderen verheiratet, hatte es ihr Sohn dann immerhin zum Feldmarschall in sächsischen Diensten gebracht.
Mannhardt grinste: Ja, das waren so Karrieren. Aber wenn Türkiyemspor erst einmal Berliner Fußballmeister war und dann Spitzenreiter in der 2. Bundesliga…
Er warf einen schnellen Blick auf die neben ihm ausgebreitete Karte. Da waren sie wieder, die Straßen mit den altbekannten Namen: Schöning, Ofener, Barfus. Und davor die Türkenstraße.
Das Mietshaus, in dem John F. alias Tietz wohnen sollte, war von Mannhardt ohne Mühe einzuordnen: Gründerzeit, viel klassizistischer Stuck, gute Altbausubstanz, Beamte des mittleren Dienstes, Facharbeiter, Busfahrer vielleicht, wenig Türken. An einigen Baikonen war der Putz noch immer von schönsten Weltkriegs-Einschußlöchern aufgelockert. Wer John F. Tietz auch immer löhnte – sehr viel konnte es nicht sein. Oder der Gute sparte erst mal.
Mannhardt mußte den Häuserblock dreimal umrunden, ehe er seinen Leihwagen am Schillerpark abstellen konnte. Wäre dies ein Fernsehfilm gewesen, hätten Kollegenschaft wie Kritiker lauthals gejubelt, machten sie doch ihre Schelte immer daran fest, daß die Herren Fahnder ständig und sofort einen freien Parkplatz fanden.
Er schloß die Augen und hoffte, den Regisseur mit seinen Kommandos zu hören: Du steigst jetzt aus, Hans-Jürgen, schlägst die Wagentür zu, schließt ab und gehst dann ganz langsam auf das Mietshaus zu, so ein bißchen Humphrey Bogart, aber doch auch wieder mit einem etwas bangen Blick nach oben; sitzt da nicht einer und schießt auf dich…? So, alles fertig!? Ruhe, Aufnahme! Die Klappe, vierhundertzehn, die Erste!
Mannhardt gehorchte, verdrängte für Sekunden seine, ihrer aller Wirklichkeit, flüchtete sich in die Vorstellung, daß dies nichts anderes sei als der große Film über Yemayás Entführung, Jessicas größte Rolle, und er dabei, aus Dankbarkeit von ihr geholt.
Aus!
Er war in einen Doggenschiß getreten, einen Hundehaufen von der Größe eines Maulwurfhügels, und wie auf Glatteis über die Straße geschlittert, stank bestialisch, hatte viel zu tun, den ockerbraunen Matsch an der Rinnsteinkante so halbwegs wieder abzustreifen, glaubte dabei, den hymnenhaften Insulaner-Song im
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