Da muss man durch
verborgen geblieben, dass Elisabeth mir soeben die Gnade erwiesen
hat, mit mir zu sprechen. Eine freundliche Bemerkung über den prämierten Puderquast Maja von Aschaffenburg hat gereicht,
um das Eis zu brechen. Würde ich nun noch die personellen Wünsche Elisabeths umsetzen und zudem die Handtuchspender im Verlag
mit dem Hinweis «Sei sparsam» versehen, wäre mir der Job als Vorstandschef wohl sicher. Ich könnte ab jetzt ein paar entspannte
Tage auf Mallorca verbringen und dabei meine gerade erfolgte Aufnahme in die bessere Gesellschaft genießen. Leider werde ich
der besseren Gesellschaft nicht sehr lange angehören. Noch wissen die Anwesenden nichts von meiner eigenmächtigen Entscheidung,
Schamski auf die Insel zu holen. Sobald das rauskommt, werde ich sicher wieder in Ungnade fallen, und zwar schneller, als
Karl einen Horse’s Neck kippen kann.
Beim Dessert ist es so weit. Konstantin hat offensichtlich etwas auf dem Herzen, denn er kann sich nicht auf seine Wildfeigen
in Portwein konzentrieren. Irgendwann schiebt er den Teller beiseite und gibt sich einen Ruck. «Wenn Sie nichts dagegen haben,
Dr. Schuberth, würde ich Sie gleich noch auf einen kurzen Drink in die Bibliothek bitten.» Er bemüht sich, unverfänglich zu
klingen. «Sie hatten ja inzwischen |74| Gelegenheit, über die Personalfrage von heute Morgen nachzudenken, oder?»
«Sie meinen die Personalfrage Schamski», erwidere ich leichthin.
Er nickt. «Genau, aber lassen Sie uns das gleich besprechen.»
Ich nicke nun ebenfalls. «Es hat sich nichts an meiner Einstellung geändert. Ich favorisiere Herrn Schamski nach wie vor»,
sage ich in einem ebenso verbindlichen wie ruhigen Ton.
Wieder entsteht diese merkwürdige Stille am Tisch. Elisabeth isst ungerührt weiter und lässt sich nicht anmerken, dass sie
meine Haltung ähnlich indiskutabel findet wie die Abschaffung des Manchesterkapitalismus.
«Wie gesagt, wir sollten das später besprechen», wirft Konstantin rasch ein. Er ist bemüht, Elisabeth auf keinen Fall den
Abend zu verderben.
Dann muss ich das eben machen.
«Ich habe mir die Freiheit genommen, Herrn Schamski zur morgigen Sitzung einzuladen», sage ich. Fast im gleichen Moment
hört man das schrille Geräusch einer Messerklinge, die über Porzellan kratzt. Elisabeth ist beim Zerteilen einer Feige abgerutscht.
Scheint so, als hätte sie gerade die Contenance verloren. Das ist doch mal was.
«Ich finde, Sie sollten sich selbst ein Bild von Herrn Schamski machen, bevor wir eine Entscheidung treffen», sage ich.
Die Patriarchin legt ihr Besteck beiseite und sieht mich an. Ihr Blick ist jetzt wieder so erfrischend frostig wie ein Eisberg
im Nordpolarmeer, was ich geflissentlich ignoriere. Sie erhebt sich. Ich und die anderen Herren am Tisch tun das ebenfalls.
«Ich ziehe mich jetzt zurück», sagt Elisabeth, nickt kurz |75| in die Runde, dreht sich um und geht. Konstantin hat kaum Gelegenheit, mir einen verächtlichen Blick zuzuwerfen, er ist
vollauf damit beschäftigt, seine aufgebrachte Mutter hinauszubegleiten.
Kaum hat sie die Terrasse verlassen, setze ich mich wieder. So langsam gefallen mir die Abende im Hause von Beuten. Ich bin
so frei und nehme mir noch vom Dessert. Für eine kurze Weile ist nur das Klappern des Löffels zu hören, mit dem ich Feigen
auf meinen Teller befördere.
«Einen Brandy dazu?», fragt der alte von Beuten, und ich glaube, ein kaum wahrnehmbares Lächeln über sein Gesicht huschen
zu sehen.
Als ich wieder auf meinem Zimmer bin, ist es noch früh. Ich habe weder Lust zu arbeiten noch Lust zu lesen. Vielleicht sollte
ich mal eines der Millionen Fernsehprogramme ausprobieren, die die hauseigene Satellitenstation empfangen kann. Ich greife
zur Fernbedienung, als es klopft.
Konstantin ist sichtlich verärgert, bemüht sich aber, das zu überspielen. «Ich muss Sie dringend bitten, künftig solche
Entscheidungen mit mir abzusprechen», fällt er mit der Tür ins Haus. Seine Stimme zittert ein wenig.
«Ich wollte nach dem Essen mit Ihnen über alles reden», erwidere ich lammfromm. «Aber da Sie schon das Gespräch darauf gebracht
haben …»
«Wie dem auch sei», unterbricht er unwirsch. «Wann soll Uschi Herrn Schamski denn vom Flughafen abholen?» Er zieht sein kalbsledernes
Filofax hervor und fingert nervös nach dem goldenen Füllfederhalter.
«Herr Schamski hat gesagt, er organisiert das selbst.»
Indigniert klappt Konstantin sein
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