Da muss man durch
unternommen. Mein privates Besäufnis an Heiligabend hat also kathartisch gewirkt, ähnlich
einem reinigenden Gewitter.
Es ist leider nicht mehr möglich, das Silvesterarrangement für Nela und mich zu stornieren. Das Hotel verlangt den vollen
Preis. Ich habe nicht die geringste Lust, Silvester allein am Meer zu verbringen, deshalb beschließe ich, den Trip zu verschenken.
Günther und Iggy haben sich über die Weihnachtstage gestritten wie die Kesselflicker und lehnen dankend ab. Ihr Krach hat
neuralgische Punkte in der Beziehung zutage gefördert, die sie nun schonungslos ausdiskutieren müssen. Romantische Tage in
einem Luxushotel am Meer wären dabei nur hinderlich.
Schamski und Melissa sind zu einer Silvesterparty eingeladen, die sie auf keinen Fall absagen wollen, weil die weltbekannte
Hormonyogalehrerin Swami unter den Gästen sein wird. Melissa möchte versuchen, Privatstunden bei Swami zu bekommen, was
wohl schwieriger ist, als den Papst zu einer Kneipentour zu überreden.
Als ich mich schon damit abfinden will, das Silvesterarrangement verfallen zu lassen, betritt Bronko die Wohnung.
«Was ist denn mit dem Flur passiert?», fragt er erstaunt.
«Nicht so wichtig», antworte ich. «Hast du Silvester schon was vor?
Bronko schüttelt den Kopf. «Kathrin und Rüdiger geben |178| ’ne Party. Aber so richtig Lust hab ich nicht darauf. Warum?»
«Nela hat mich verlassen. Das Hotel muss ich trotzdem bezahlen.»
Bronko versteht. «Okay, ich bin dabei», sagt er locker.
Ich stutze. «Ich hatte eigentlich gedacht, dass du allein fährst.»
«Warum willst du denn nicht mitkommen?», fragt Bronko erstaunt.
«Na ja, es ist ’n Doppelzimmer», antworte ich.
Bronko hebt eine Augenbraue. «Ich wusste gar nicht, dass du homophob bist.»
«Bin ich auch nicht», sage ich.
Bin ich wahrscheinlich doch ein bisschen, sonst wäre ich ja selbst auf diese Idee gekommen.
«Also ich für mein Teil hab keine Probleme damit, wenn wir uns ein Doppelbett teilen», sagt Bronko. «Außerdem würde ich
sowieso nicht ohne dich fahren. Oder dachtest du, ich hab Lust, Silvester allein zu verbringen?»
Ich überlege kurz. Er hat völlig recht. Wir sind zwei Freunde, die sich ein Doppelzimmer teilen und gemeinsam Silvester feiern
werden. Wo ist das Problem?
Wie sich vor Ort herausstellt, sind wir zwei Freunde, die sich das ganz in zarten Pastelltönen gehaltene «Rosa Zimmer für
frisch Verliebte» teilen. Außerdem haben wir das Arrangement «Romantische Tage am Meer» gebucht. Beides habe ich bei der Internetbestellung
offenbar übersehen.
Jedenfalls erklärt uns ein professionell gelassener Hotelangestellter, wie man den zimmereigenen Whirlpool benutzt und wo
der Massageknopf für das Wasserbett zu finden ist. Selbiges ist übrigens mit einem großen Herzen |179| aus Rosenblättern dekoriert. Zur Begrüßung hat das Hotel Erdbeeren und Jahrgangschampagner bereitgestellt. Wir sollten uns
ein Gläschen gönnen, bevor in einer halben Stunde unter dem Motto «Ein Fest für die Sinne» unsere erste gemeinsame Wellnessbehandlung
beginnt. Sie heißt «Tausendundeine Nacht», und wir sollen, wenn ich es richtig verstehe, in Öl eingelegt werden. Der Hotelangestellte
wünscht uns jedenfalls viel Spaß dabei und zieht sich dezent zurück. Als er die Tür zuzieht, hört er wahrscheinlich gerade
noch, wie Bronko sagt: «Schatz, das ist das schönste Geschenk, das ich je von dir bekommen habe.»
Wir genehmigen uns ein Glas Champagner, während ich «Tausendundeine Nacht» abzusagen versuche. Dabei stellt sich heraus,
dass unser Ölbad terminlich ohnehin mit einer ebenfalls gebuchten Gesichtsbehandlung kollidiert. Ich bin aufgeschmissen.
«Was jetzt?», frage ich Bronko.
Der zuckt mit den Schultern. «Du Öl, ich Gesicht? Oder lieber umgekehrt?»
Mir ist es wurscht, also lasse ich Bronko die Wahl, und der entscheidet sich dafür, seinen Teint auffrischen zu lassen.
Das Ölbad ist ganz entspannend, allerdings habe ich danach das Gefühl, für den Rest meines Lebens glitschig zu sein. Bronko
hat sich ein sanftes Gesichtspeeling gegönnt, dann hat man ihm die Augenbrauen gezupft und ein dezentes Make-up aufgelegt.
«Sieht gut aus, oder?», fragt er. «Irgendwie frisch und gesund. Oder findest du, ich hab zu viel Rouge aufgelegt?»
«Sagen wir so», erwidere ich. «Wenn uns in diesem Hotel bislang irgendjemand aus unerfindlichen Gründen noch |180| nicht für zwei Schwuchteln gehalten hat, dann wird
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