Da muss man durch
Badewanne überläuft.
Es kostet mich unentspannte zwei Stunden, die Folgen meines verunglückten Entspannungsbades zu beseitigen. Der Schaden hält
sich in Grenzen, aber das Parkett im Flur ist feucht geworden. Damit es nicht aufquillt, müsste man es zum Trocknen entfernen,
vermute ich. Es ist zwar Heiligabend, aber angesichts der Wirtschaftslage dürfte es kein Problem sein, jemanden zu finden,
der sich liebend gern einen opulenten Feiertagszuschlag einsteckt.
Nach rund einem Dutzend Telefonaten weiß ich es besser. Einige Handwerker haben gedacht, ich würde sie auf den Arm nehmen,
andere haben mich beschimpft oder für bekloppt erklärt. Drei werden mir sogar Rechnungen dafür schicken, dass sie Heiligabend
überhaupt ans Telefon gegangen sind. Und einer dieser drei, dessen telefonische Beratung sich auf den Satz «Da kann man im
Moment leider |175| gar nix machen» beschränkte, will mir eine Anfahrtspauschale berechnen, weil er vom Wohnzimmer ins Arbeitszimmer gehen musste,
um das Gespräch anzunehmen. Der früheste Termin, der mir zur Beseitigung des Schadens angeboten wurde, liegt in so ferner
Zukunft, dass sich mein Flur bis dahin verzogen haben wird wie eine Hallenradsportbahn.
Inzwischen ist es zu spät für mein Weihnachtskonzert. Ich könnte nun doch noch ein Bad nehmen, aber der Gedanke an mein Badezimmer
bereitet mir schlechte Laune. Ich beschließe, in aller Ruhe das Abendessen vorzubereiten, obwohl es dafür noch zu früh ist.
Vielleicht wirkt es sich beruhigend aus, wenn ich mich auf den kontemplativen Akt des Gemüseschnippelns konzentriere. Meine
Taktik funktioniert. Als in diversen Töpfen erlesene Zutaten vor sich hin kochen und im Backofen eine Lammschulter langsam
kross wird, zeigt meine Küchenmeditation Wirkung. Ich entspanne mich.
Es klingelt. Ein Herr Borowski steht vor der Tür, begleitet von einem dünnen Kerl namens Anton. Die Männer latschen ohne
Scheu in meine Wohnung, während Borowski mir erklärt, dass er keine Zeit für lange Erklärungen hat. Es sei ja schließlich
Weihnachten, und alle hätten was Besseres zu tun. Bedanken könne ich mich außerdem später noch bei ihm.
Dann beginnen die beiden, mein Parkett rauszureißen.
Es kostet mich viel Mühe und eine sehr gute Flasche Wein, die Nachbarn davon abzuhalten, die Polizei zu rufen. Der Lärm
in meiner Wohnung hat nebenan ein weihnachtliches Blockflötenkonzert gesprengt. Drei Kinder mit Tränen in den Augen sehen
mich an, als hätte ich Bambi ermordet.
|176| Eine halbe Stunde später haben Borowski und sein Kollege meinen Flur in Schutt und Asche gelegt. Das Wasser ist angeblich
tiefer eingedrungen als zunächst vermutet. Das Parkett musste deshalb komplett raus. Jetzt liegen überall auf dem nackten
Beton die Holzfetzen herum.
«So. Mit dem Parkett kann nix mehr passieren», verkündet Borowski zufrieden. «Das muss jetzt alles austrocknen. Den Müll
bringen wir nach den Feiertagen weg. Frohe Weihnachten.»
Noch bevor ich mich darüber aufregen kann, dass Borowski meinen Fußboden zerlegt und meine Wohnung zugemüllt hat, ist er
samt Anton auch schon durch die Tür. Ich betrachte das Chaos und wünsche mir meinen dezenten Wasserschaden zurück. Am Ende
des Flures erscheint Fred. Irgendwas ist nicht in Ordnung, das sehe ich ihm an. Im gleichen Moment fällt mir mein Abendessen
ein.
Die Lammschulter ist knochentrocken, das Gemüse zu Brei verkocht und die Soße verbrannt. Ich seufze, Fred steht dabei und
lässt bedauernd seine eineinhalb Ohren hängen. Ich hole die Markknochen aus dem Kühlschrank und werfe sie in Freds Napf. Mir
selbst ist vom Festessen nur ein Becher Mousse au Chocolat geblieben. Ich öffne drei Flaschen Rotwein, damit zwei schon mal
atmen können, schalte den Fernseher an und lege eine Packung Zigaretten in Reichweite. Während ich mir eingieße, suche ich
nach einer möglichst anspruchslosen Sendung und werde gleich mehrmals fündig.
Ich lasse mich in einen Sessel fallen, greife nach meinem Weinglas und proste meinem Hund zu. «Ich werde mich jetzt besaufen»,
sage ich.
Fred sieht mich an. Ich glaube, er nickt verständnisvoll.
|177| Am Abend des zweiten Weihnachtstages lassen die Kopfschmerzen nach. Mit über vierzig verdoppelt sich die Zeit, die man benötigt,
um einen Kater auszukurieren. Immerhin habe ich gestern und heute nicht geraucht und keinen Alkohol angerührt, sondern stattdessen
lange Spaziergänge mit meinem Hund
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