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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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er spätestens jetzt seine Meinung ändern.»
    Bronko winkt ab. «Sei nicht so negativ, Paulchen. Sag mir lieber, was ich zum Abendessen anziehen soll.»
    Ich weiß nicht, was ich im Internet bei der Hotelbuchung so alles angeklickt habe, jedenfalls jagt auch am kommenden Tag
     ein romantischer Höhepunkt den nächsten. Wir bekommen ein Sektfrühstück ans Bett gebracht, unternehmen eine Kutschfahrt durch
     die Dünenlandschaft und werden mit einem Fischerboot zu einem Leuchtturm geschippert, auf dessen Aussichtsplattform wir uns
     küssen sollen, weil das angeblich Glück bringt.
    Inzwischen haben wir uns damit abgefunden, dass wir von den übrigen Gästen für das glücklichste Paar auf Erden gehalten werden.
     Das ist auch der Hoteldirektion aufgefallen, die uns gebeten hat, einem Schwulen- und Lesbenmagazin ein Interview zu geben.
     Man hoffe, das Hotel werde als «gay and lesbian friendly» ausgezeichnet, verriet uns der Manager. Da für mich eine Rückenmassage
     und für Bronko eine weitere Gesichtsbehandlung drin waren, haben wir uns breitschlagen lassen.
    Unser Sechs-Gänge-Menü am Silvesterabend heißt «Launen der Liebe». Ich stecke das ebenso locker weg wie den Umstand, dass
     unser Tisch unter einem Herzen aus Blumen steht und eigens für uns ein stockschwuler Kellner engagiert wurde, der nicht müde
     wird, sich über unser Glück zu freuen. Selbst seine «ganz private und ganz persönliche Aufmerksamkeit zum Jahreswechsel»,
     ein Massageöl in einer Flasche, die die Form eines Dildos hat, nehme ich mit stoischer Gelassenheit entgegen. Als kurz vor
     Mitternacht vier Mariachi-Musiker in den Saal ziehen und geradewegs auf unseren Tisch zusteuern, um ihn mit «Cucurrucucu |181| Paloma» zu umzingeln, verliere ich aber doch ein wenig die Fassung.
    Bronkos dezent geschminkte Lippen biegen sich zu einem Lächeln. «Wenn ich jetzt in meinem Dessert einen Verlobungsring finde,
     dann erwarte ich, dass du mir auf der Stelle einen Antrag machst», sagt er und beginnt in seiner Crème brûlée zu stochern.
    Fast im gleichen Moment verstummt die Musik, und der Hotelmanager tritt ans Mikrophon. Alle Gäste mögen sich bitte auf die
     Terrasse begeben. In ein paar Minuten werde dort das neue Jahr mit einem Feuerwerk begrüßt. «Und vergessen Sie bitte nicht,
     sich mit reichlich Champagner zu bewaffnen», bittet der Manager. «Es ist genug da, und ich habe gehört, im Keller gibt
     es noch mehr davon.» Allgemeine Heiterkeit und Aufbruchsstimmung.
    Wenig später stehen wir auf der Terrasse am Meer. Es ist Schlag Mitternacht. Die Menschen johlen, klatschen, küssen sich.
     Das Knallen der Korken und das Pfeifen der Raketen übertönt für einen Moment das Rauschen der Brandung. Dann regnen Funken
     vom Nachthimmel herab.
    «Komm mal her», sagt Bronko, zieht mich zu sich und nimmt mich in die Arme. «Frohes neues Jahr, Paul.»
    Ich lächle und erwidere seine Umarmung. «Frohes neues Jahr, Bronko.»
    Einen Moment verharren wir, dann klopft Bronko mir sachte auf die Schulter, und wir lösen uns voneinander.
    «Und?», fragt er. «Was glaubst du, wie es werden wird, das neue Jahr?»
    Ich zucke mit den Schultern. «Keine Ahnung. Ich vermute mal, ich werde so weitermachen wie bisher. Aber du solltest überlegen,
     deine Kosmetikerin zu wechseln.»
    |182| Bronko grinst, hebt den Kopf und betrachtet das Feuerwerk. «Was ich tatsächlich überlege, ist auszusteigen», sagt er.
    Interessiert wende ich den Kopf, Bronko schaut weiterhin nach oben.
    «Ich hab dran gedacht, nach Mallorca zu gehen. Ich könnte Landschaftsbilder malen und sie als Souvenirs an Touristen verkaufen.
     Oder ich suche mir halt irgendeinen Job. So pleite wie hier kann ich auch auf Mallorca sein. Aber dort wär ich wenigstens
     am Meer und in der Sonne.»
    Ich denke kurz nach, nicke dann. «Klingt gut. Klingt sogar sehr gut.»
    Bronkos Blick flattert vom Himmel herab, und sein Zielauge fixiert mich. «Dann komm doch einfach mit.»
    Ich schüttele energisch den Kopf. «Unmöglich. Wie soll das gehen? Ich hab Verpflichtungen.»
    Bronko ist erstaunt. «Was denn für Verpflichtungen? Du hast einen Hund, aber den kannst du ja mitnehmen.»
    «Ich hab vor allem einen Job», sage ich.
    «Der dir keinen Spaß macht», ergänzt Bronko. «Und den du auch nicht nur des Geldes wegen machst. Wenn es dir so wichtig wäre,
     würdest du es sparen oder investieren, statt es für eine viel zu große Wohnung und mehrere Freunde zu verprassen. Was also
     hält

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