Da muss man durch
ein übelst beziehungsgeschädigter Bio-Imker einen Strich durch die Rechnung
machen würde.
«Ich weiß», antworte ich. «Aber ich bin auch kein Hellseher.»
Wäre ich das, hätte ich sicher nicht die saublöde Idee gehabt, mich in die Ehe meines Freundes einzumischen.
«Was ist, wenn dein Plan nicht funktioniert?», fragt Iggy und klingt verunsichert. «Vielleicht versteht Günther mein Angebot
falsch, und jetzt denkt er, ich hätte unsere Ehe längst aufgegeben.»
«Nein, du hast ihm doch geschrieben, dass du an eure Zukunft glaubst.»
«Wie jetzt?», fragt Iggy verdutzt.
Mist, sie weiß ja noch gar nicht, dass ich den Brief kenne.
«Na ja. Ich dachte, dass du ihm so was Ähnliches schreiben wolltest», versuche ich mich zu retten.
«Ja. Hab ich auch», sagt Iggy.
«Na also», erwidere ich in väterlichem Tonfall. «Dann würde ich mir an deiner Stelle auch keine Sorgen machen.»
|212| «Ich mach mir aber Sorgen, Paul!» Sie klingt nun verzweifelt. «Ich liebe Günther. Und ich weiß, er liebt mich auch. Ich
kann verstehen, dass er Angst vor der Zukunft hat. Aber er muss auch ein bisschen Vertrauen haben. Das gehört zur Liebe einfach
dazu.»
Ich schweige. Da hat sie völlig recht. Aber wie soll ich das einem Apokalyptiker erklären? Günthers Existenzängste wurzeln
tief. Sein geschäftlicher Absturz vor ein paar Jahren hat ihm schlicht einen Knacks fürs Leben beschert. Jetzt sieht Günther
sich schon in der Gosse liegen, wenn die Stromrechnung mal ein paar Euro höher ausfällt als gewöhnlich. Wer eine solche Panik
schiebt, dem ist nicht mit ein paar guten Ratschlägen beizukommen.
«Dann solltest du aber auch darauf vertrauen, dass sich alles zum Guten wendet», erwidere ich und schäme mich selbst ein
bisschen für diese Binsenweisheit. Aber gerade weiß ich auch nicht weiter.
Stille. Iggy überlegt. «Du willst mich abwimmeln», sagt sie dann.
«Das auch», antworte ich. «Aber eigentlich will ich dich bitten, nicht auch noch in Panik zu geraten. Gib Günther einfach
ein bisschen Zeit. Ich rede mit ihm. Versprochen. Ich bin sicher, es ist noch nichts verloren.»
Sie zögert. «Okay», sagt sie dann gedehnt.
«Mach dir keine Sorgen», setze ich nach. «Das wird schon.»
Wieder ein kurzes Schweigen. Ich spüre, dass sie lächelt. «Gut, Paul, dann werde ich mal vertrauensvoll mein Glück in deine
Hände legen.»
Als ich das Handy zuklappe, ist mir unbehaglich zumute. Iggys letzter Satz hallt nach. Ich habe mich bislang in Liebesdingen
nicht mit Ruhm bekleckert. Wie komme |213| ich also darauf, dass es gerade mir gelingen könnte, die Ehe von Iggy und Günther zu retten? Ich schenke mir Wein nach und
überlege. Keine Ahnung, ob ich den beiden helfen kann, aber zumindest will ich Günther davor bewahren, einen Kardinalfehler
zu wiederholen, den ich bei Iris gemacht habe. Es war der Fehler, seinem Glück nicht über den Weg zu trauen.
Im Gebüsch ist ein Rascheln zu hören, dann taucht Fred auf. Da unsere Haustür immer offen steht, kommt und geht er inzwischen,
wann es ihm passt. Keine Ahnung, wo er sich herumtreibt, aber ich denke, er hat diverse Affären in der Gegend. Seine amourösen
Ausflüge haben sich vorteilhaft auf sein Naturell ausgewirkt. Fred ist nicht mehr so aggressiv wie früher. Vielleicht machen
die mediterrane Atmosphäre und die freie Liebe aus ihm ja noch einen freundlichen Hund.
Er sieht mich und hält kurz inne, was eine Art Begrüßung ist. Dann trottet er an mir vorbei in Richtung Haus.
«War sie hübsch?», rufe ich ihm hinterher. Keine Reaktion.
Am nächsten Morgen weckt Günther mich mit einem starken Kaffee. Das ist zwar nett, aber da ich gestern meinem letzten Glas
Wein noch eine allerletzte Flasche habe folgen lassen, ziehe ich es vor auszuschlafen.
«Nichts da! Schluss mit der Rumgammelei!», verkündet Günther. «Wir fahren jetzt mit Henning auf die Finca und packen alles
zusammen. Morgen ist dein erster Markttag.»
Ich erinnere mich dunkel, dass ich gestern einer Karriere als Marktverkäufer zugestimmt habe. Hätte ich geahnt, dass mein
Müßiggang damit abrupt beendet ist, wäre ich nicht so leichtfertig darauf eingegangen.
Für die Fahrt zu Hennings Finca und das Beladen unseres |214| klapprigen Kastenwagens brauchen wir knapp drei Stunden. Das hätte man also auch bequem am Nachmittag erledigen können.
«Es ist längst Nachmittag», motzt Günther. «Du hast sowieso den halben Tag verpennt.»
«Bist du meine
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