Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
lerne!“
Stundenlang verbrachte Leonardo in der Kammer des Portugiesen. Oft blieb er bis spät abends dort, sodass sich Großvater schon besorgt erkundigte.
„Der Mann ist ein Zeichner“, erklärte Leonardo. „Und er hat sich angeboten, mir seine Kunst zu zeigen.“
„Einfach so?“, wunderte sich der Großvater.
„Nein, ich gebe ihm meine Fantasie dafür – daran mangelt es ihm nämlich, während ich davon im Überfluss habe!“
„Seltsam ist das trotzdem! Hast du nicht irgendwann einmal gesagt, dass der Portugiese ein Spion oder so etwas sei?“
„Da habe ich mich wohl geirrt“, behauptete Leonardo, der nicht weiter über dieses Thema diskutieren wollte.
Aber als Leonardo die für ihn neue Art des Zeichnens ausprobierte, die er bei Joao de Lagos gesehen hatte und der Großvater eines dieser Blätter in die Hände bekam, staunte er. Leonardo hatte sich tatsächlich in sehr kurzer Zeit viel abgeschaut. Währenddessen arbeitete der Portugiese zahlreiche Ideen Leonardos in die Kopien ein, sodass Florenz als eine vor Waffen und Kriegsgerät nur so starrende Stadt erschien, bei der man sich auf eine jahrelange Belagerung einstellen musste.
Der Bote holte die Originale regelmäßig ab, um sie nach Florenz zurückzubringen, während in etwas größeren Abständen der Agent mit der Lederkappe aus Richtung Pisa die Gasthaus aufsuchte, um die Kopien an sich zu nehmen.
Wochen und Monate vergingen. Der Sommer neigte sich schließlich dem Ende zu und in den Nächten wurde es jetzt schon manchmal deutlich kühler.
Eines Tages, als Leonardo wieder einmal sehr spät noch bei dem Portugiesen war, um ihm bei der Arbeit zuzusehen, klopfte Gianna an die Tür.
„Mein Herr, Euer Besucher ist da und möchte eingelassen werden!“, rief sie.
„Das muss der Agent sein!“, meinte Joao. „Er ist eigentlich schon überfällig. Ich habe mich schon gewundert, warum er die letzten Kopien noch nicht abgeholt hat.“
„Ich gehe in die Truhe!“, sagte Leonardo.
Joao nickte. „Tu das!“ Dann ging er an die Tür, öffnete sie und wandte sich an Gianna. „Sag ihm, er mag zu mir kommen. Ich bin bereit, ihn zu empfangen.“
„Jawohl!“, nickte sie.
Wenig später tauchte der Mann mit der Lederkappe in Joaos Zimmer auf. Den schweren Tritt seiner Stiefel hatte man bereits auf der Treppe deutlich hören können. Leonardo drückte den Deckel der Truhe etwas hoch, sodass er durch einen winzigen Spalt blicken konnte.
„Ich habe diesmal lange auf Euch warten müssen“, sagte der Portugiese.
„Ja, es ist viel geschehen“, sagte er. „Wo sind Eure letzten Arbeiten?“
„Ich werde sie für Euch zusammenfalten. Allerdings war der Bote aus Florenz inzwischen schon ein weiteres Mal hier, um mir neues Material zum Kopieren zu geben – und davon ist bislang nur ein kleiner Teil fertig.“
„So gebt mir alles, was fertig ist“, forderte der Agent. Er wartete geduldig ab, bis Joao alles zusammengepackt hatte. Anschließend übergab der Zeichner seine Arbeiten an den Agenten, der sie in seine Ledertasche steckte.
„Wir haben uns heute zum letzten Mal gesehen, Joao de Lagos“, erklärte er. Der Agent griff an seinen Gürtel und holte einen Beutel hervor, den er auf den Tisch legte. „Da ist eine hübsche Summe drin, die Euch das Vergessen erleichtern soll, Meister Joao.“
„Das Vergessen?“, fragte der Portugiese verständnislos.
„Ihr habt mich noch nie gesehen – ebenso wenig wie den Boten aus Florenz.“
„Ich verstehe nicht, ich dachte, für Euren Auftraggeber wäre es so wichtig, über die Festungsanlagen von Florenz genauestens Bescheid zu wissen und bisher habe ich vielleicht gerade einmal zwei Drittel der Pläne kopiert!“
„Eure Hilfe ist nicht länger notwendig.“
„Darf ich fragen warum?“
Der Agent lächelte kühl. „Ihr solltet inzwischen bemerkt haben, dass ich es nicht sehr schätze, wenn man mich ausfragt. Aber so viel will ich Euch in diesem Fall doch sagen: Mein König hat seine Pläne geändert.“
„So will er nicht mehr gegen Florenz zu Felde ziehen?“
Der Agent zuckte mit den Schultern. „Würdet Ihr das angesichts der furchtbaren Kriegsmaschinen wagen, wenn Ihr an seiner Stelle wärt?“
„Nein.“
„Lebt wohl, Joao. Ach, noch eine Kleinigkeit…“
„Ja?“
„Solltet Ihr jemals über die Dinge sprechen, die Ihr für mich getan habt, dann habe ich immer noch die Möglichkeit, Euch beim portugiesischen Gesandten in Rom anzuschwärzen! Bedenkt das also!“
„Das werde
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