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Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition)

Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Da vorne wartet die Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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Depressionen, wie die anderen erwachsenen Menschen.«

    Liana Lake und ihre Tochter spähen hinter jeden Busch, suchen hinter jedem Stein und gucken zwischen alle Äste, ob sich dort irgendwo das Kleeblattungeheuer oder zumindest ein Zaubereinhorn versteckt. Aber die Wesen der Phantasie sind flink und schwer zu entdecken, und so müssen Liana und Felicitas schließlich einsehen, dass sie heute kein Glück auf ihrer Suche haben.
    »Vielleicht sind mittwochs alle Zaubergestalten unsichtbar«, überlegt Felicitas.
    »Das kann gut sein«, meint Liana.
    »Dann müssen wir wohl am nächsten Feiertag wiederkommen«, sagt Felicitas fröhlich. »Oder du nimmst dir ab jetzt an einem anderen Wochentag frei.«
    »Ja, das kriegen wir auf jeden Fall hin«, stimmt Liana zu. »Aber nun suchen wir uns erst einmal einen schönen Ort, an dem wir in Ruhe rasten können.«
    »Okay«, sagt Felicitas. »Vielleicht treffen wir ja unterwegs noch zufällig eine Elfenprinzessin oder einen Blauwicht. Und weißt du was, Mama?«
    »Was denn?«, fragt Liana.
    »Das mit der Jagd nach dem Glückskleeblatt fressenden Ungeheuer ist eigentlich gar nicht so wichtig«, erklärt Felicitas schulterzuckend.
    »Ach, nein?«, hakt Liana nach.
    »Nein«, bestätigt Felicitas, »denn du hast ja mich – und du hast einmal gesagt, dass ich den Namen Felicitas bekommen hätte, weil er Glück bedeutet!«
    Liana lacht und hebt ihre Tochter hoch, um sie durch die Luft zu wirbeln, bis alle Bäume und Büsche und Sträucher um sie herum sich in einen bunten Strudel aus vorbeifliegenden Farben verwandelt haben.
    »Hey!«, ruft Felicitas nach einer Weile. »Mama, du bist doch kein Karussell! Mir wird ganz schwindlig! Mama! Hör auf! Du musst auf deinen Bauch aufpassen! Hast du schon vergessen – da ist doch das Baby drin!«
    Liana stellt ihre Tochter zurück auf den Boden.
    Dann gibt sie ihr einen Kuss auf die Stirn.
    »Also komm, mein Glückskind«, sagt sie außer Atem. »Jetzt lass uns zurück auf den Waldweg gehen und nach unserer geheimen Zauberlichtung suchen.«
    Felicitas nickt aufgeregt, streicht einmal kurz über den Bauch ihrer Mutter und flitzt kurz darauf los. Sie weiß ganz genau, wie man zu dem verzauberten Ort gelangt. Alle Kinder in der Stadt am Waldrand kennen den Weg, nur die Erwachsenen müssen sich ständig verlaufen. Auch Liana hat Mühe, Felicitas zu folgen – die Büsche ähneln einander, das Gestrüpp ist dicht und undurchsichtig, und ein riesiger Baum reiht sich an den nächsten. Aber da kommt Felicitas auch schon zurückgelaufen und fasst ihre Mutter an der Hand, so dass sie nicht verlorengehen kann.

    Wenig später erreichen Liana und Felicitas die schönste Lichtung im ganzen Wald. Drei Bäume stehen dort und wachen über die weite Wiese und die angrenzenden Gebiete. Liana weiß, dass diese drei Bäume eine uralte Kastanie, eine sehr alte Eiche und eine greise Linde sind. Felicitas hingegen weiß, dass diese drei Bäume geheime Brüder sind, mit verschlungenen Wurzeln, verzauberten Blättern und tanzenden Glühwürmchen in ihren Stämmen.
    Keine der beiden widerspricht der anderen.
    Jede von ihnen kennt die Grenzen der Traumwelt.
    Und die Schattenspiele der Phantasie.

    Liana und Felicitas legen sich dicht nebeneinander auf das warme Gras, es flüstert ihnen Geschichten zu – von fortgelaufenen Tagen, von abhandengekommenen Stunden, von aufgeschobenen Minuten, von verzerrten Sekunden und von dem Auf- und Abbrechen der unbeugsamen Zeit.
    Liana schließt ihre Augen. Ein seltsames Gefühl liegt über diesem Ort, es spricht von Abschied in einem schweigenden Wortspiel. Zärtlichkeit berührt ihr Gesicht, Anmut streicht über ihre Gedanken.
    Aber dann, ganz plötzlich.
    Ist all das vorbei.
    Und die Stille kehrt wieder ein.
    Liana öffnet ihre Augen und sieht sich um. Felicitas liegt neben ihr und deutet mit der rechten Hand auf eine Wolke am Himmel.
    »Guck mal, Mama«, sagt sie. »Die sieht aus wie ein großer Vogel.«
    »Ja«, bestätigt Liana. »Wie ein Kranich.«
    Felicitas blickt eine Weile nachdenklich in den Himmel, und schließlich fragt sie leise flüsternd, als ob es um ein großes Geheimnis ginge: »Mama, meinst du, irgendwo in der Stadt am Waldrand liegen genau jetzt, in diesem Moment, noch zwei andere Menschen gemeinsam auf einer Wiese? Und wenn es so ist, meinst du, sie haben sich genauso lieb wie wir – für immer und alle Ewigkeit, so wie in den unsterblichen Märchen? Und erzählen sie sich ihre Träume, so wie wir? Reden

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