… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1
Scheiß!“
„Na toll“, sage ich uninspiriert.
„Ich werde auf jeden Fall wieder hinfahren.“
„Nach den Sommerferien?“
„Nein, leider. Das erlauben meine Eltern nicht. Ich muss aufs Gymnasium.“
„Das ist ihnen wichtig?“
„Ja, unglaublich wichtig. Aber in dem Punkt sind doch wohl alle Eltern gleich?“
Nicht unbedingt. Ich kann mich nicht erinnern, wann sich meine Mutter zuletzt in meine Schulangelegenheiten eingemischt hat. Und mein Vater hat mich auch nicht gerade mit Mails zu diesem Thema bombardiert. Also war es meine ganz persönliche Wahl, aufs Gymnasium zu gehen. Wenn man das überhaupt als Wahl bezeichnen kann, denn eigentlich mache ich ja nur dasselbe wie alle anderen auch. Sogar Nick will ins Gymnasium, und wenn nicht einmal ihm eine spannende Alternative einfällt, dann erst recht nicht mir.
Liv greift nach ihrer Cola. „Ich bringe die drei Jahre am Gymnasium hinter mich, mache mein Abi, und dann bin ich längst achtzehn.“
„Und dann willst du wieder nach Amerika?“
„Ja, ich will mich um ein Stipendium bewerben und in einer Collegemannschaft spielen.“
„Stipendium? Also bezahlter Unterricht?“
Liv nickt. „Mh, und wenn ich es nicht gleich bekomme, dann müssen meine Eltern eben für die ersten Semester zahlen.“
„Und dazu haben sie Lust?“
„Sie müssen einfach! Wenn ich ihnen den Gefallen tue und drei Jahre aufs Gymnasium gehe, müssen sie anschließend auch was springen lassen.“
Liv ist selbstständig. Oder eine verwöhnte Göre, die es gewohnt ist, alles zu bekommen, auf das sie zeigt.
„Wo wohnst du eigentlich?“
„Im Svanemølle-Viertel.”
Tobias hatte also recht: Livs Eltern haben eine Menge Kohle.
„Aber nicht, dass du jetzt denkst, ich wäre ein Oberklassesnob“, sagt Liv defensiv.
„Habe ich das behauptet?“
„Nein, aber gedacht. Die Leute denken immer, man wäre ein Snob, nur weil man in diesem Viertel wohnt.“
Ich könnte schwören, dass wir einen magischen Moment zusammen erleben. Denn sie sieht mir tief in die Augen, und ohne, dass ich etwas dafür tue, berühren ihre runden, braunen Knie meine verschwitzten Oberschenkel. Komm schon, Mateus, wag dich noch ein Stück vor, sage ich zu mir selbst. Und später könnt ihr euch bei dir treffen. Es würde perfekt passen, denn deine Mutter hat heute Spätschicht. Dann führst du sie durch euer Haus, bis ihr in deinem Dachzimmer landet, wo es so warm ist, dass euch gar nichts anderes übrig bleibt, als euch auszuziehen.
„Mateus? Da ist was, worüber ich nachgedacht habe ...“
Bitte, lass es dasselbe sein, an das ich auch gedacht habe – jeden Tag, seit ich sie das erste Mal sah.
„Hat Jonathan eigentlich eine Freundin?“
What the f ...?
„Äh, was?“
„Na, dein Freund Jonathan. Hat er eine Freundin?“
„Ich glaube nicht.“
„Kannst du mir nicht seine Nummer geben?“
„Damit du ihn anrufen kannst?“
Man kann nie sicher sein. Vielleicht sammelt sie auch einfach nur Telefonnummern.
„Glaubst du, er hätte was dagegen?“
Ich schüttle den Kopf. Es hat keinen Sinn, sich gegen das zu wehren, was offensichtlich geschehen muss. Ich habe die beiden ja selbst auf dem Platz gesehen. Wie zwei Magneten mit entgegengesetzten Polen wurden sie voneinander angezogen. Jonathan und Liv. Das Paar des Jahres.
Meine Mutter hat mir einen Zettel geschrieben, dass mein Vater wieder angerufen hat. Er wird in drei Wochen am Kopenhagener Flughafen landen. Ich zerknülle den Zettel und gehe zum dritten Mal an diesem Tag duschen. Anschließend streife ich rastlos wie ein Tiger im Käfig durch das Wohnzimmer. Ich hätte Liv niemals fragen dürfen, ob sie mit ins Kastellet kommt. Sie will Jonathan, und ich bin nur der Idiot, der ihr seine Telefonnummer geben konnte. Das war sicher der einzige Grund für sie, eine halbe Stunde mit mir zu verbringen. Vielleicht sitzt sie gerade zu Hause in ihrem Turmzimmer und schickt ihm eine SMS: Ich werfe mein güldenes Haar aus dem Fenster, wenn du vorbeikommst. Kuss, Prinzessin.
Verdammte Kacke auch!
Gegen neun ruft meine Mutter an. Sie will wissen, ob ich die Nachricht über meinen Vater gesehen habe, und ich sage, ja, habe ich, und weiter? Sie stößt einen tiefen Seufzer aus. Glücklicherweise sind ihre Kollegen im Hintergrund, weshalb sie keinen Streit anfangen will. Ich öffne den Barschrank im Wohnzimmer und finde eine halbe Flasche Rum und einen merkwürdigen, rosafarbenen Likör. Nicht gerade meine Lieblingsgetränke, aber für meinen Zweck
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