… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1
hin?“
„Nach draußen. Bis später, Nick!“
Er wirft einen blitzschnellen Blick auf das Gothic-Mädchen und beugt sich zu mir: „Das meinst du doch wohl nicht ernst?“
„Halt dich da raus.“
„Aber ich muss dir unbedingt was zeigen!“
„BIS SPÄTER!“
Ich will an ihm vorbei und das Gruftimädchen mitziehen, doch Nick drängt sich zwischen uns. „Ich leihe mir Mateus mal für zehn Minuten aus.“
„Ach so“, sagt das Mädchen und wirkt erschreckend gleichgültig.
„Nick, hör auf!“, zische ich, aber es ist hoffnungslos. Das Mädchen hat bereits mit den Schultern gezuckt und ist abgezogen. So spannend war es dann offenbar doch nicht, mit mir zum Wall zu gehen. Nick schleift mich auf die andere Seite der Halle.
„Danke auch! Ich hatte sie gerade klargemacht.“
„Mach dich mal locker, wir suchen dir später was Besseres. Ich muss dir was zeigen.“
Nick zeigt zur Wand. Erst sehe ich nur drei bis vier Typen in den Zwanzigern, deren Stil eine beinharte Mischung aus Rockern, Christianitern und Autonomen darstellt. Sie lehnen mit den Händen in den Hosentaschen an der Wand, und man hat den starken Eindruck, dass sie nicht unbedingt hier sind, um japanischen Punk zu hören. Ihre gebückten Rücken und ihre aggressiven und zugleich fragenden Blicke deuten ebenfalls darauf hin: Sie sind hier, um etwas zu verchecken.
„Was?“, sage ich und reiße mich los. „Willst du etwa was kaufen? Von mir kannst du dir jedenfalls nichts mehr leihen. Ich bin schon total blank.“
„Rechts von dem großen Schwarzen.“
Warum sehe ich es erst jetzt? Jedenfalls nicht, weil er sich versteckt. Da steht Jonathan, in der grünen Armeejacke, die er immer trägt. Er unterhält sich ganz offensichtlich mit dem Schwarzen und einem anderen Typen, der halblanges, fast weißes Haar und ein Gesicht wie ein Frettchen hat.
„Der mit den weißen Haaren wird Borste genannt“, sagt Nick. „Keine Ahnung, wie er wirklich heißt.“
„Aber was er verkauft, weißt du schon?“
„Ist das nicht ziemlich offensichtlich?“
„Und wer ist dieser Afro?“
„Borstes Kumpel. Wenn er zuhört, solltest du ihn übrigens lieber nicht so nennen.“
Wir bleiben eine Weile stehen und betrachten unseren Freund, der immer ein richtiger Goldjunge war, Liebling aller Lehrer und Stolz seiner Eltern. In der neunten Klasse hatte Jonathan den besten Notendurchschnitt, aber er rackerte sich auch dafür ab. In den sprachlichen Fächern war er immer der Beste, aber er lernte Tag und Nacht, um auch in Mathe und Physik gut zu sein. Hier in Dänemark kann man nach der neunten Klasse wählen, ob man direkt aufs Gymnasium geht oder für ein Jahr eine andere Schule besucht, so wie Nick. Jonathans Lehrer und seine Eltern wollten, dass er nach der neunten Klasse der Gesamtschule gleich aufs Gymnasium ging und die Schulzeit in zwölf Jahren absolvierte, aber Jonathan entschied sich, noch ein Jahr zu warten. Er sagte es zwar nie direkt, aber er tat es wohl vor allem Nick und mir zuliebe. Ich wollte auf Nick warten, der erst das Jahr auf der Internatsschule überstehen musste, und Jonathan wollte auf uns beide warten, obwohl wir sicher sowieso nicht in dieselbe Klasse kommen würden. Aber er wartete, und wir gingen ein Jahr lang zusammen in die zehnte Klasse. Vielleicht war das eine schlechte Idee, denn im Laufe dieses Jahres verlor Jonathan zunehmend das Interesse an der Schule. Seit Weihnachten schwänzte er immer mehr, und als wir zusammen für die Abschlussprüfungen lernen wollten, hatte er keine Lust, die Bücher auch nur aufzuschlagen. Also lernte ich alleine, und an den Prüfungstagen tauchte er dann in letzter Sekunde aufund ließ seine Umwelt deutlich spüren, wie sehr ihn das alles ankotzte. Dank seiner Routine bekam er trotzdem gute Noten, aber es schien ihm völlig gleichgültig. Nicht so wie in der neunten Klasse, als er seinen Vater nach jeder Prüfung anrief und ihm die Ergebnisse durchgab.
„Die scheinen ja dicke Freunde zu sein“, sage ich und nicke in Borstes und Jonathans Richtung.
„Fast schon wie eine Familie!“
Ich kann es mir nicht verkneifen, ein wenig zu triumphieren: „Also hatte Ikarus recht!“
„Oder es ist ein Zufall.“
„Wie bitte?“
„Ein Zufall!“
„Das ist doch wohl kein Zufall!“, rufe ich. Der Gitarrist und der Schlagzeuger stimmen gleichzeitig ihr Solo an, und wir müssen vom Rufen zum Schreien übergehen, um einander verstehen zu können.
„Weißt du, woher Jonathan die beiden
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