… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1
Vielleicht hat sie schon längst bemerkt, dass ich nicht nur vom Basketballtraining high bin. Andererseits ist sie immer noch davon überzeugt, dass ich auf Partys nichts Härteres als Bier trinke.
Die letzte Frikadelle rauscht im halb zerkauten Zustand an meinem galoppierenden Herzen vorbei, und ich habe bereits meinen Stuhl zurückgeschoben.
Meine Mutter greift nach meiner Hand. „Freust du dich denn gar nicht, dass er nach Hause kommt?“
„Freust du dich?“
Sie antwortet nicht sofort, und sie zögert nicht nur, weil ich sie überrumpelt habe. Meine Mutter ist sich nicht sicher, ob sie sich freut, meinen Vater wiederzusehen.
„Was ist das denn für eine dumme Frage?“
„Du hast dich doch auch daran gewöhnt, dass er nicht da ist.“
„Das stimmt nicht. Ich vermisse deinen Vater.“
Na klar. Deshalb sehe ich auch so gut wie nie, dass sie ihm schreibt oder ihn anruft.
Ich bedanke mich für das Essen und gehe nach oben. In meinem Dachzimmer ist es heiß wie in einem Backofen. Ich reiße die Fenster auf und setze mich an den Schreibtisch, während meine Mutter unten im Garten den Tisch abräumt. Ein netterer und weniger bekiffter Sohn hätte ihr garantiert dabei geholfen, aber leider ist sie nun einmal mit mir gestraft.
Auf Facebook macht sich das Sommerloch bemerkbar. Einzig und allein diejenigen, die gerade auf Reisen sind, schreiben Statusmeldungen. Sie übertrumpfen sich gegenseitig damit, über all die exotischen Dinge zu berichten, die sie gerade erleben. Und natürlich schreiben sie auf einer Tastatur ohne Umlaute, damit es besonders ausländisch aussieht. Mir fällt auf, dass Jonathan sein Profil gelöscht hat. Eigentlich überrascht mich das nicht, denn er war seit Monaten nicht mehr aktiv. Dafür habe ich eine neue Freundschaftsanfrage. Von irgendjemandem, der sich lediglich Ikarus nennt, ohne Profilbild und ohne eine Nachricht an mich. Was soll’s, ich bin auf Facebook sowieso schon mit so vielen merkwürdigen Typen befreundet, die ich nur einmal gesehen und genauso schnell wieder vergessen habe. Also bestätige ich die Anfrage. Doch als ich auf das Profil gehe, um mich über meinen neuen Freund schlau zu machen, finde ich dort weder Bilder noch irgendwelche Angaben von ihm. Nur ein Geburtsdatum – der heutige Tag. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es Nick, der ein Fakeprofil angelegt hat. Also schreibe ich eine Nachricht: Hast du was von Dina gehört? Oder planschst du immer noch im Wassergraben rum?
Ich finde mich selbst wahnsinnig witzig, was wahrscheinlich an dem guten Pot liegt. Wenn jetzt noch dieses irrsinnige Herzrasen aufhören würde, wäre das auf jeden Fall etwas, das Tobiasund ich ein anderes Mal wiederholen könnten. Ich wälze mich angezogen im Bett herum und überlege, wann die Wirkung endlich nachlässt. Am liebsten gestern, denn in fünf Stunden muss ich wieder mit den Zeitungen losziehen.
Gestern betrunken, heute bekifft, und nächstes Wochenende bin ich wieder dabei.
Der Sommer fällt in diesem Jahr auf Ende Juli. An einem glühend heißen Nachmittag radle ich zum Café Kastellet , wo Mark hinter dem Tresen steht und sich langweilt. Ich trinke draußen eine Cola und überlege, ob ich meine Freunde anrufen und ihnen vorschlagen soll, heute Abend wegzugehen. Andererseits habe ich das in den letzten Wochen schon mehrmals getan, ohne dass etwas dabei herausgekommen wäre. Nick ist mit irgendeinem Mädchen aus Vesterbro beschäftigt, und Jonathan hat überhaupt nicht geantwortet.
Noch bevor ich eine Entscheidung treffen kann, vertreibt mich die Wärme aus dem Kastellet . Ich schiebe mir die Mütze in die Stirn und radle zum Wasser. Im kleinen Segelhafen an der Langelinie flimmert die Sonne zwischen den Masten hindurch. Die Menschen bewegen sich nur noch im trägen Zeitlupentempo, selbst die Touristen sehen geplagt und desinteressiert aus. Ein Japaner versucht seine Frau zu überreden, aus dem Reisebus auszusteigen. Sie schüttelt nur den Kopf und zeigt auf die kleine Meerjungfrau, die sie offenbar auch wunderbar vom klimatisierten Bus aus sehen kann.
Der imposante Gefion Springbrunnen erfreut sich großer Beliebtheit. Die Leute stecken ihre Köpfe und Füße in die brausenden Wassermassen. Ich radle vorbei und spüre den Windhauch.
Vor dem Schloss Amalienborg tauschen die Garden ihre Bärenfellmützen gegen Barette aus, damit sie keinen Hitzschlag erleiden und umfallen. Auf dem Kongens Nytorv gießt einMann in Uniform die Blumenkübel vorm Hotel d’Angleterre . Es
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