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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ada Blitzkrieg
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lieber in der Bahnhofshalle oder auf den öffentlichen Toiletten am Busbahnhof, statt mich in einen Gebäudekomplex einsperren zu lassen, in dem ich nur zwei Mal täglich jeweils zwanzig Minuten Freigang genießen durfte. Oder ich stellte mich eben einfach krank, was meine Eltern allerdings nur im normalen Maß durchgehen ließen. Alle zwei Wochen waren zwei Tage krank sein absolut in Ordnung. Das schien für meine Eltern soweit wirklich okay zu sein, um die Illusion aufrecht zu erhalten, ein normales Kind gezeugt zu haben. Das Mädchen war eben sehr empfindlich. Das war es aber auch. Die Seele des Mädchens war es schon immer.
    Wenn ich die zwei erlaubten Tage bereits ausgereizt hatte, in denen ich Begnadigung durch meine Eltern erfuhr, tat ich so, als würde ich normal zur Schule gehen und legte mich mit irgend etwas Essbarem in den Park hinter einen Busch oder im Winter in die obere Etage der Schwanenpassage, dem lokalen "Einkaufszentrum" für Menschen über Achtzig, in dessen Herz ein Kinderkarussell stand, auf dessen dunkelstem Pferdchen der Besitzer den Namen BIMBO in beschämenden Großbuchstaben notiert hatte.
    Mit Achtzehn bekam ich dann mein erstes Auto und machte mich für immer von der Dynastie der
ja!
Zusatzstoffe frei. Es war Zeit für Veränderungen und ich spürte, dass es mehr geben müsse, als Paprikawürzpulver und einen weichen Stuhlgang. Ich schaffte sozusagen den Absprung in ein besseres Leben. Aber was heißt das schon, ein besseres Leben? Als Substitutionsdroge diente mir die nun gut erreichbare
McDonalds
Filiale, die sich in etwa zehn Kilometern Entfernung zu meinem Wohnort befand. Das Benzin zahlten damals meine Eltern. Ich behauptete also brav zur Schule zu fahren, stieg in mein Auto, einen blauen
Corsa B
mit Alufelgen, Breitreifen und Sonderlackierung, auf die ich total stolz war, kreuzte die Fehlstunden auf dem inzwischen vierten Exemplar meines Entschuldigungsbogens an und log „Magenprobleme!“. Die sollte ich auch haben, aber erst einige Stunden später.
    Das Auto rauschte mit Vollgas über die menschenleeren Landstraßen und der Wald zog grün und schemenhaft an meinen Fenstern vorbei. Ich rauchte damals sommers wie winters, um mich erwachsener zu fühlen und weil ich gerne dominant roch. Das Gefühl von Freiheit und mein Duftbaum "Vanille" fühlten sich irgendwie richtig an. Schule war einfach nicht mein Ding, das war mir klar. Offenes Fenster, Arm aus dem Auto pendeln lassen und laute Musik, das war schon eher meine Welt. Im Winter war die Heizung auf volle Pulle angeknüppelt und ich hörte Hip-Hop Mixtapes. Ich war jung und wild und mit
Blumentopf
im Kassettendeck auf dem Weg zum
McDrive
in Altenkirchen. Alleine. Denn so fühlte ich mich am besten.
    Die normalen Burger gab es immer erst nach elf Uhr morgens. Vorher wurde von den Mitarbeitern nur langweiliges Frühstück zubereitet und davon war ich nun wirklich gar kein Fan. Für mich weder fettig noch fleischig genug und irgendwie ging bei mir die Kosten-Nutzen-Rechnung in Sachen Nährwert und Gewichtszunahme nicht richtig auf. Warum sollte ich fünf Euro für fünf Toasts bezahlen, die insgesamt unter tausend Kalorien hatten? Dafür könnte ich bei einem normalen Menü doch die doppelte Menge Kalorien bekommen. Und ich hatte keine Lust mich auf Kosten meiner Fettsucht verarschen zu lassen, denn rechnen konnte ich noch sehr gut, obwohl ich nicht mehr zur Schule ging. Ich musste also irgendwie die Zeit bis elf Uhr totschlagen und die war lange.
    Aus diesem Zweck schaffte ich mir eigens eine zweite Bettdecke an, die ich mir mit feinster Biberbettwäsche bezog und immer heimlich im Kofferraum transportierte, damit meine Eltern sie nicht entdecken und mein aufregendes Doppelleben als Schülerin - Querstrich - fresssüchtige Schulschwänzerin entlarven würden. Ich schlief auf dem Parkplatz im Auto, bis regulär die Tagesspeisen im Ladenlokal angeboten wurden, startete dann euphorisch um Punkt elf Uhr den Motor des Kleinwagens und gab lässig immer die gleiche Bestellung auf: Ein Menü mit einem
Big Mac
, Pommes, Cola und Mayonnaise. Natürlich Extramayonnaise. Zwei Cheeseburger, aber ohne Gurke und ein 20er Pack
Chicken McNuggets
mit Currysauce. Einen großen Erdbeermilchshake. Dazu bitte zehn Servietten. Draufgängerin! Oh, du wildes Mädchen!
    Mit der noch warmen Bestellung, die ich aufgrund ihrer Masse auf dem Beifahrersitz anschnallte, und weil ich es mir wohl niemals hätte verzeihen können, wenn ihr bei einem Unfall etwas

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