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Daddy Langbein

Daddy Langbein

Titel: Daddy Langbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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ihn kaum etwas übrig! Julias Mutter sagte, es fehle ihm an Gleichgewicht. Er sei ein Sozialist — nur daß er, Gott sei Dank, sein Haar nicht lang wachsen läßt und nicht rote Krawatten trägt . Sie kann sich nicht vorstellen, wo er seine merkwürdigen Ideen aufgabelte. Die Familie gehört seit Generationen der Kirche von England an 7 ). Er wirft sein Geld für jede Art verrückter Reform hinaus, statt es für so vernünftige Dinge wie Automobile und Jachten und Polo-Ponys zu verwenden. Pralinés kauft er aber doch! Er sandte Julia und mir je eine Schachtel zu Weihnachten.
    Weißt Du, ich glaube, ich werde auch ein Sozialist. Du hast doch nichts dagegen, Daddy? Sie sind ganz anders als Anarchisten. Sie sind nicht für Bombenattentate. Wahrscheinlich bin ich von Rechts wegen Sozialist; ich gehöre zum Proletariat. Ich weiß noch nicht genau, was für eine Art Sozialist ich sein werde. Ich werde die Frage über Sonntag studieren und im nächsten Brief meine Prinzipien niederlegen.
    Ich habe Theater und Hotels und schöne Häuser haufenweise gesehen. Mein Hirn ist ein Durcheinander von Onyx und Vergoldungen und Mosaikböden und Palmen. Ich bin immer noch ziemlich atemlos, aber ich bin froh, ins College und an meine Bücher zurückzukommen — ich glaube, daß ich wirklich ein Studiermensch bin; die hiesige
    Atmosphäre akademischer Ruhe finde ich anregender als New York. Das College-Dasein ist eine sehr befriedigende Lebensweise; die Bücher und das Studium und die Kollegs halten einen geistig lebendig, und wenn das Hirn ermüdet, gibt es Gymnastik und Sport im Freien und immer eine Menge gleichgesinnter Freunde, die ungefähr dasselbe denken wie man selbst. Wir verbringen einen ganzen Abend mit nichts als Reden, Reden, Reden — und gehen zu Bett mit dem erhabenen Gefühl, als hätten wir endgültig ein drängendes Weltproblem gelöst. Und überall, wo Raum ist, gibt es einen Haufen Unsinn — nur dumme Witze über die kleinen Ereignisse des Tages — aber sehr befriedigend. Wir würdigen jedenfalls unseren eigenen Witz!
    Es sind nicht die ganz großen Freuden, die am meisten zählen; es kommt darauf an, aus den kleinen viel zu machen — ich habe das wahre Geheimnis des Glücklichseins entdeckt, Daddy: Es besteht darin, im Jetzt zu leben. Nicht ewig Vergangenes zu bedauern; und der Zukunft nicht vorgreifen zu wollen; sondern soviel wie irgend möglich aus dem jetzigen Augenblick zu holen. Es ist wie in der Landwirtschaft. Es gibt extensive und intensive Farmarbeit. Ich für meine Person werde von jetzt an intensives Leben haben. Ich werde jede Sekunde genießen, und ich werde wissen, - daß ich sie genieße, während ich sie genieße. Die meisten Menschen leben nicht; sie sind nur in einem Wettrennen. Sie versuchen, ein Ziel in weiter Ferne am Horizont zu erreichen, und in der Hitze des Rennens werden sie so atemlos und keuchend, daß ihnen jede Aussicht auf das schöne ruhige Land, das sie passieren, verlorengeht; und bevor sie es wissen, sind sie alt und ausgeleiert, und es macht keinen Unterschied, ob sie das Ziel erreicht haben oder nicht. Ich habe beschlossen, mich am Wegrand hinzusetzen und eine Menge kleiner Glückseligkeiten aufzuhäufen, auch wenn ich kein großer Autor werde. Hast Du je eine so große Philosophin gekannt wie die, zu der ich mich entwickle?

    Immer Deine
    Judy.

    P. S. Heute nacht regnet es Katzen und Hunde. Zwei Hundebabys und ein Kätzchen sind gerade auf dem Fensterbrett gelandet.

Lieber Genosse!

    Hurra! Ich bin ein Fabier.
    Das ist ein Sozialist, der bereit ist zu warten. Wir wollen nicht, daß die soziale Revolution morgen kommt; das wäre zu störend. Wir wollen, daß sie ganz allmählich in der fernen Zukunft kommt, wenn wir fähig und vorbereitet sein werden, den Schock auszuhalten.
    Inzwischen müssen wir uns vorbereiten, indem wir Industrie-, Schul- und Waisenhausreformen beginnen.

    In brüderlicher Liebe
    Deine Judy.

    Montag, dritte Stunde.

11. Februar.

    Lieber L. D.!

    Sei nicht beleidigt, weil dies so kurz ist. Es ist kein Brief. Es ist nur eine Zeile, um zu sagen, daß ich bald einen Brief schreiben werde, wenn die Prüfungen vorbei sind. Es ist nicht nur nötig, daß ich durchkomme, sondern daß ich gut bestehe. Ich muß mein Stipendium verdienen.

    Deine schwer studierende
    J. A.

5. März.

    Lieber Daddy-Langbein!

    Präsident Cuyler hielt heute abend eine Rede darüber, daß die moderne Generation leichtfertig und oberflächlich sei. Er sagt, wir verlieren die alten

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