Dämenkind 2 - Kind der Götter
zugewiesener Platz ist, anstatt mich mit irgendwelchen heldenmütigen Anwandlungen zu verdrießen, oder ich mache dir so viel Ärger,
dass du dir wünschst, lieber hätten die Karier dich geschlagen.«
Tatsächlich kannte sie ihn besser, als ihm bisher bewusst gewesen war: An einer Schlacht solchen Ausmaßes hatte Tarjanian noch nie teilgenommen; seit Menschengedenken war überhaupt niemand jemals in einen derartigen Zusammenprall verwickelt gewesen. Es lag eher in Tarjanians Wesen, sich ins dichteste Getümmel zu werfen, statt sich im Hintergrund zu halten und Befehle zu erteilen, bei deren Ausführung seine Untergebenen in den Tod gingen. Allerdings störte es ihn ebenso, dass als Oberster Reichshüter naturgemäß Hochmeister Jenga den Oberbefehl hatte. Tarjanian hegte alle Hochachtung vor Jenga, jedoch war es ihm während der Zeit bei den Rebellen zur festen Gewohnheit geworden, selbst die alleinige Befehlsgewalt auszuüben. In dieser Schlacht hingegen hatte er klar umrissene Weisungen zu befolgen und keine Erlaubnis, irgendetwas darüber hinaus zu wagen.
R'shiels Mahnung im Bewusstsein, verließ Tarjanian den Pavillon und ging zu seinem Ross. Der Vormarsch der Karier versetzte den Untergrund leicht ins Beben. Gefasstheit umhüllte Tarjanian wie ein warmer Mantel. So fühlte er sich jedes Mal vor dem Kampf: Es war die Ruhe vor dem Blutrausch. Über die Schulter schaute er sich um und sah, dass R'shiel, die Arme verschränkt und die Miene ernst, ihn beobachtete. Er fragte sich, ob er sie je wiedersehen durfte.
Obwohl es kaum zu begreifen war, schickten die Karier zuerst die ausgehobenen Fußkrieger auf das Schlachtfeld. Reihe um Reihe trotteten uneinheitlich gekleidete Bauern über die Grenze heran, bewaffnet mit Kurzschwertern und roh gezimmerten Schilden, deren bunte Bemalung die Herkunft des jeweiligen Ausgehobenen anzeigte. Sie bewegten sich recht unordentlich vorwärts, weil sie zu wenig kriegerische Disziplin kannten, um in fürs Gefecht tauglichen Gliederungen zu bleiben. Tarjanian verzog bei dem Anblick das Gesicht und stellte sich die Frage, ob sie denn wenigstens in den allgemeinsten Grundsätzen der Kriegskunst unterwiesen worden sein mochten.
Sein Blick schweifte über die Phalanx der dem HüterHeer angehörigen Fußkämpfer: Männer, die ihre Schilde fest in den Fäusten hielten und ihre Spieße ausrichteten, sodass sie einem Wald dünner, kahler Bäume glichen. Dahinter standen die Reiter, nahezu zweitausend Mann, in Bereitschaft, um dem Gegner, sollte das erste Anzeichen eines feindlichen Einbruchs erkennbar werden, ohne Verzug einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Indessen waren es die Bogenschützen, die in dieser Schlacht den Ausschlag geben sollten. Jeden von ihnen beschirmte, bis es zum Letzen käme, ein eiserner Setzschild, und jeder hatte Kübel voller Pfeile in Griffweite und einen zu den Rebellen zählenden, meist jungen Gehilfen zur Seite, der gewährleisten sollte, dass die Gefäße sich niemals zur Unzeit leerten. Im weiteren Gelände waren Entfernungsmarken aufgebaut worden, dank derer die Schützen verlässlich den Überblick behielten.
Tarjanian spürte, wie ringsherum die Anspannung wuchs, während die Karier nahten, aber zunächst wartete Hochmeister Jenga ab, anstatt voreilige Befehle zu erteilen. Und so fügten sich sämtliche Hüter in das Warten; trotz des stetigen Näherrückens der Feinde überwog die Disziplin die verständliche Furcht des Einzelnen. Offenbar mochte der Oberste Reichshüter keinen einzigen Pfeil verschwenden. Sämtliche medalonischen Kriegsleute erkannten seine Einstellung und sahen ihren Sinn ein. Das Kampfgeschrei der Karier drang an ihre Ohren, lange bevor sie die Entfernungsmarken erreichten, und dennoch bewahrten sie Zurückhaltung.
Jenga ließ die Zeit verstreichen, bis fast die Hälfte der Karier die Marken hinter sich gelassen hatten; dann gab er den Bogenschützen das Zeichen. In der Luft rauschte es, als fünfhundert Schützen ihre Pfeile abschossen. Die in der Kriegskunst unbedarften Fußkrieger, die sich ihnen näherten, waren entweder zu unerfahren oder durch den ihnen von den Priestern auferlegten MagieZwang zu verblendet, um nun in der angebrachten Weise zu handeln. Ihre Mehrheit verzichtete schlichtweg darauf, wider den tödlichen Geschosshagel den Schild zu heben.
Ein zweites Brausen, und wieder trübte sich der Himmel, während der nächste Pfeilhagel ihn durchsauste. Weitere Karier fielen ihm zum Opfer, neue Geschosse fanden
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