Dämenkind 2 - Kind der Götter
ein Ziel. Immer wieder ließen die Schützen – nachgerade gemütlich – Pfeile von der Sehne schwirren. Jegliches Zielen konnten sie sich sparen. In der Enge des den Kariern aufgezwungenen Schlachtfeldes traf jeder Pfeil irgendetwas oder irgendwen.
Am liebsten hätte Tarjanian dem unglückseligen kari schen Haufen zugeschrien, sich zu wehren, sich irgend wie zu retten. Doch die Männer drangen unentwegt näher heran, stiegen über die Leichen ihrer gefällten Kameraden und liefen dem Tod in die Arme, als vernähmen sie seinen unwiderstehlichen Ruf.
»Bei den Gründerinnen!«, schalt Nheal Alcarnen, der an Tarjanians Seite geritten kam. »Ist das Tapferkeit oder bloße Narretei?«
»Du kennst Brakandarans Erklärung der ZwangbannMagie.«
»Fast könnte man ihm Glauben schenken«, meinte Nheal finsteren Blicks. Geradeso wie Hochmeister Jenga bereitete es ihm Schwierigkeiten, das Vorhandensein magischer Kräfte ernsthaft in Betracht zu ziehen. »Es ist Jengas Wunsch, dass du deine Reiter an die Ostflanke verlegst. Er befürchtet, dass die Karier versuchen, dort einen Durchbruch zu erreichen.«
Tarjanian nickte und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Schlachtfeld. Da hörte er plötzlich Trommeln dröhnen. Mittlerweile war das Aufgebot karischer Bauern fast völlig zusammengeschossen worden, doch auf dem Fuße folgten Pikenträger – fünftausend oder mehr; die langen Waffen vor sich ausgestreckt, wälzten sie sich heran wie ein undurchdringlicher Dornenwald. Unterdrückt fluchte Tarjanian. Diese Männer waren gegen Pfeile noch schlechter geschützt als die erste Welle. Wo standen die Ordensritter? Wo blieben die Fardohnjer?
»Das gibt eine scheußliche Schlächterei«, bemerkte Nheal, während er und Tarjanian das Näherrücken der Pikenträger beobachteten.
»Ich kann einfach nicht verstehen, was sie sich von einem derartigen Vorgehen versprechen«, sagte Tarjanian. »Wir haben noch keinen einzigen Mann verloren, und trotzdem setzen sie den Angriff fort. Es ist reiner Irrwitz. Wer, im Namen der Gründerinnen, mag denn nur bei den Kariern den Oberbefehl haben?«
»Gleich wer es ist, allem Anschein nach steht er auf unserer Seite.«
Es war nur ein übler Scherz, den Nheal da von sich gegeben hatte, aber ehe Tarjanian dazu Gelegenheit fand, ihn darauf hinzuweisen, wurde sein alter Kamerad fortgerufen. Von neuem sah er daher den karischen Pikenträgern entgegen, die an den Entfernungsmarken vorüberstapften und in den Pfeilhagel der medalonischen Bogenschützen gerieten. Dessen ungeachtet rückten sie ohne Zögern weiter vor. Außer dem Tod konnte nichts sie aufhalten.
Tarjanian hob den Blick zum Himmel und erkannte verdutzt, dass die Schlacht – falls man dergleichen denn eine Schlacht nennen durfte – noch keine volle Stunde währte. Was sich hier ereignete, ähnelte eher einer planmäßigen Hinmetzelung. Er sah verwundete Karier auf den Toten zusammensinken und verspürte dabei nichts als Widerwillen. Keine Blutgier durchwallte ihn, die seine empfindsamsten Sinne abgestumpft hätte. Keine Kampfeslust betäubte sein Gewissen. Als er das Pferd wendete, um seine Reiterei in die befohlene Aufstellung zu bringen, blieb ihm nichts als das hohle Gefühl des Abscheus.
Und immer noch gingen Karier zum Angriff vor.
Tarjanian wartete mit seinen Reitern an der Ostflanke, als endlich die Fardohnjer zur Tat schritten. Zwar hatte Damin lobend ihre Schneidigkeit erwähnt, aber Tarjanian wusste, als er sie herangaloppieren sah, kaum einen Grund zur Anerkennung, denn sie hüteten sich so wenig vor dem Geschosshagel, in den sie ritten, wie vor ihnen die karischen Fußkrieger.
Mittlerweile stand die Sonne hoch am Himmel, verstrahlte jedoch nur geringe Wärme auf das Schlachtfeld. Fast zur gleichen Zeit, als Pfeile sie überschütteten, sprengten die Fardohnjer in den Geländeabschnitt mit den listig angelegten Fallgruben. Noch nie hatte Tarjanian Fardohnjer im Kampf erlebt. Wenngleich die Schnelligkeit und Zucht dieser Reiter bei ihm einen gewissen Eindruck hinterließen, machte ihr nach den Regeln der Kriegskunst als närrisch zu bewertendes Vorgehen ihn schier sprachlos. Sie zählten vielleicht eine halbe Tausendschaft, die in dichtem Haufen zum Angriff ritt. Tarjanian beobachtete sie in trauriger Stimmung.
Sie trugen Harnische aus hart gekochtem Leder und eiserne Helme, darüber hinaus jedoch keine Panzerung. Auf ihren emporgeschwungenen Schwertern spiegelte sich der Sonnenschein, als ob im trüben Morgenlicht
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