Dämenkind 2 - Kind der Götter
stand, aus Bestürzung die Augen weit aufsperrte.
»Ist Prinz Cratyn vom Schlachtfeld zurückgekehrt?«, fragte sie. Ihr Tonfall klang nach eisig gedämpftem Zorn.
»Ich … glaube ja, Eure Hoheit.«
»Du kannst gehen, Lanzenreiter Filip. Richte den übrigen Überlebenden meiner Leibwache aus, dass ich später zu ihnen zu sprechen beabsichtige. Und sag ihnen, dass ihr Kummer mein Kummer ist und ich ihres Opfers stets in Ehren gedenken werde.« Matt erhob sich Filip von den Knien, verneigte sich und verließ im Rückwärtsgang das Zelt. »Hol meinen Mantel, Mikel«, befahl Adrina mit fester Stimme. Der Bursche nickte und sputete sich, die Weisung zu befolgen. Adrina regte sich nicht. Ihre Erbitterung schien zu einem spürbaren Bestandteil ihrer Eingeweide geworden zu sein. Wäre ihr in diesen Augenblicken ein Schwert greifbar gewesen, sie hätte wahllos getötet.
»Eure Hoheit …?«, wagte Mikel zu stammeln. Er hielt den Mantel. Adrina nahm ihn an sich und warf ihn um die Schultern.
»Sieh zu, dass Tamylan warmen Tee erhält, Mikel. Sie hatte den Hauptmann sehr gern.«
Als ihr Name fiel, blickte Tamylan auf; sie wischte sich die Augen und musterte Adrina voller Argwohn. »Wohin wollt Ihr?«
»Was brauchst du zu fragen?«
»Adrina …!«
Tamylans ängstliche Rufe hallten ihr nach, während sie durchs Heerlager zum Befehlszelt schritt. Sie war mit dermaßen überwältigendem Kummer geschlagen worden, dass sie kaum atmen konnte und ihr kein klarer Gedanke mehr kam. Sie stapfte ins Zelt, ohne die verdutzten Blicke der Herzöge Rollo und Palen zu beachten. Als der Kummer zu voller Gewalt aufloderte, barst das innerliche Eis, das bisher jeden Gefühlsausbruch gehemmt hatte. Sie ging schnurstracks auf Cratyn los, zerrte ihn aus dem Feldstuhl und versetzte ihm mit dem Handrücken einen heftigen Hieb ins Gesicht.
»Du schäbiger, ungeheuerlicher Schuft !«, schrie sie ihn an, als er sich von der Tischkante hochraffte und ein kleines Blutrinnsal an seinem Mundwinkel betastete. »Was hast du mit meiner Leibwache angestellt? Welchem bösartigen Bann haben eure widerlichen Pfaffen meine Krieger unterworfen? Du hast gewusst , welches Schicksal ihnen droht. Du und deine erbärmlichen, feigen Ritter, ihr habt in eurer verfluchten Eisenwehr herumgelungert und gewartet, während mein Bruder und seine Reiter wie Vieh abgeschlachtet wurden!«
Nur mit Mühe gelang es Cratyn, angesichts ihrer Wut die Fassung zu wahren. Er sah die beiden erschrockenen Herzöge an, tat aber zur Vorsicht einen Schritt rückwärts, ehe er den Mund öffnete.
»Die Nachricht vom Tod ihres LeibwacheHauptmanns«, versuchte er fahrig ihren Auftritt zu erklären, »muss die Prinzessin aus Trauer umnachtet haben.«
Adrinas Zorn steigerte sich schier zur Tollwut. » Ich und umnachtet ?! Du abscheulicher, schlappschwänziger Schwachkopf, ist dir nicht ersichtlich, was ihr da verbrochen habt?«
»Im Krieg sind bisweilen schwere Entschlüsse zu fällen, Eure Hoheit«, meinte Herzog Rollo. »Sobald Ihr Euch besonnen habt …«
»Lasst es getrost gut sein mit Eurem lächerlichen Krieg! Ihr habt einen Sohn König Hablets leichtfertig in den Tod geschickt. Er hatte die Absicht, seinen ältesten Bankert als rechtmäßigen Sohn anzuerkennen und zu seinem Erben zu machen. Also habt Ihr niemand anderen als den fardohnjischen Thronerben ermordet!«
Wie seltsam es auch anmutete, diese Feststellung stärkte allem Anschein zufolge Cratyn den Rücken, anstatt ihm Furcht einzuflößen. »Dann ist es der Wille des Allerhöchsten. Der Erbe des fardohnjischen Throns wird karischen Blutes sein. Ein Rechtgläubiger.«
» Erbe?! Welcher Erbe? Dein welkes Geschlecht hat doch gar nicht die Kraft, einen Erben zu zeugen, hast du das vergessen, Kretin? Ist das etwa der Grund, weshalb du dich so begierig in den Krieg gestürzt hast? Weil du nichts anderes zum Stehen bringen kannst als eine Fahne?«
Obwohl die Herzöge Rollo und Palen längst diesbezügliche Gerüchte vernommen haben mussten, verursachte diese Enthüllung ihnen doch offenkundige Betroffenheit. Und Cratyn, so sah Adrina voller boshafter Freude, geriet durch ihre schonungslose Anprangerung seiner mangelnden Männlichkeit nachgerade in einen Zustand der Lähmung. Zu gern hätte sie ihm, wäre ihr jetzt ein Messer zur Hand gewesen, das nutzlose Ge
mächt abgetrennt, auf eine Pike gespießt und durchs gesamte Heerlager getragen.
»Eure Hoheit! Gegenwärtig ist gewiss nicht die rechte Stunde, um Erörterungen über
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