Dämenkind 2 - Kind der Götter
Mikel, weil ich dich kenne. Eben darum habe ich darauf bestanden, dass Prinz Cratyn dir gestattet, mich zu begleiten. Du hast dich im feindlichen Lager aufgehalten und Kenntnisse der medalonischen Sprache erworben. Einen tauglicheren Beschützer kann ich mir gar nicht denken.« Den Wahn des Jungen zu zerstreuen, indem sie ihn merken ließ, dass sie das Medalonische fließend sprach, hätte ihr nur zum Nachteil gereicht.
Vor Stolz schwoll Mikel die Brust. »Der Allerhöchste hält über uns alle seine Hand.«
»Darauf baue ich meine ganze Hoffnung«, meinte Adrina. »Nun geh und besorge dir warme Kleidung.
Die Nacht wird kalt. Unterdessen schreibe ich die Mitteilung an Lanzenreiter Filip. Wir brechen auf, sobald es dunkel ist.«
Kaum hatte der Bursche das Zelt verlassen, verlor Tamylan die Beherrschung. »Seid Ihr denn ganz und gar verrückt geworden?!«
»Möglich, aber ich ziehe es allem anderen vor. Hast du in Schrammstein einiges von den Gewändern eingepackt, die wir aus der Heimat mitgenommen haben?«
»Ich habe jeden Fetzen eingepackt«, brummelte Tamylan störrisch, »den Ihr Euer Eigen nennt.«
»Ausgezeichnet. Also such etwas heraus, in dem wir aussehen wie Court'esa . Je mehr nackte Haut es zeigt, umso besser. Jenseits der Grenze müssen wir, falls wir Hythriern begegnen, ein glaubwürdiges Äußeres aufweisen.«
»Und wenn Hüter uns anhalten?«
»Dann lenken wir sie mit unseren weiblichen Reizen ab«, versetzte Adrina ungeduldig zur Antwort. »Kerle sind Kerle, Tamylan. Ach, und vergiss mir ja nicht mein Geschmeide! Ich wünsche nicht, dass Kretin es verscherbelt, um seine verfluchte Kriegskasse aufzustocken.«
»Auf welche Weise gedenkt Ihr fortzugelangen?«
»Ich lege deine Kleidung an und verlasse, ehe die Wache abgelöst wird, das Zelt, vorgeblich zu einem dringlichen Botengang für die Prinzessin«, erklärte Adrina. »Nachdem der Wachwechsel erfolgt ist, tust du es mir gleich und machst den neuen Wächtern unmissverständlich klar, mich auf gar keinen Fall zu stören. Sodann treffen wir uns am Lagerrand mit Mikel und Filip.«
»Müssen wir den Burschen mitnehmen?«
»Ich brauche ihn, um Filip zu verständigen, zudem kennt er sich in der Tat im Hüter-Heerlager aus. Wenn wir am Gläsernen Fluss ein Schiff gefunden haben, das heimwärts fährt, können wir ihn seines Wegs ziehen lassen.«
Nach wie vor wirkte Tamylan alles andere als begeistert, doch vermutete Adrina, dass ihr frischer Kummer sie daran hinderte, ernsthafte Einwände zu erheben. Und im Grunde genommen wollte sie genauso sehnlichst fort wie Adrina.
»Man wird uns niemals glauben, wir seien Court'esa , Eure Hoheit, nicht einmal, falls Ihr Euch unterwürfig genug benehmt, um zu vertuschen, dass Ihr eine geborene Prinzessin und zur Adeligen erzogen worden seid. Wir ermangeln der Halsbänder. Mag sein, die Hüter fallen auf den Trug herein, nicht jedoch die Hythrier.«
»Wir haben Halsbänder«, entgegnete Adrina. »Bring mir die Schmuckschatulle.«
Tamylan gehorchte und schaute neugierig zu, während Adrina das kleine, aufs Schönste mit Schnitzereien verzierte Kästchen aufschloss. Sie entnahm die obere Lade, missachtete die Schätze, die auf dem Samt verteilt lagen, griff hinab auf den Boden und brachte zwei wundervoll gefertigte Halsgehänge zum Vorschein, das eine aus Silber hergestellt, das andere aus Gold. Beide hatten die Gestalt zähnefletschender Wölfe, deren Augen aus Smaragden bestanden; längs der durchgebogenen Wirbelsäule glitzerten jeweils Reihen feuriger Rubine.
»Woher habt Ihr denn diese Halsbänder?«, raunte Tamylan voller Staunen.
»Aus Hythria. Erinnerst du dich an meinen Besuch in Groenhavn? Während meines Aufenthalts besuchte Großfürst Lernen eine Sklavenversteigerung und lud mich zum Zeitvertreib zum Mitgehen ein. Der Tag verlief grässlich. Immerzu klagte der Großfürst über die mindere Güte, die heutzutage die hythrischen Sklaven hätten, und beteiligte sich kein einziges Mal am Bieten, bis man zwei der allerschönsten jungen Burschen vorführte, die ich je gesehen hatte. Sie waren Zwillinge und einander vollkommen ähnlich; ich glaube, sie zählten nicht mehr als fünfzehn Lenze. Für Lernen stand auf den ersten Blick fest, dass er sie haben musste. Der Kauf kostete ihn ein Vermögen, und er behauptete, er wolle sie verschenken, wahrscheinlich an seinen Neffen. Aber mir war vollkommen klar, dass er von den Früchten zu kosten beabsichtigte, ehe er sie vergab. Ihr Götter, was sind die
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