Dämenkind 2 - Kind der Götter
Botengang und zog sodann die Kleider an, die Tamylan bereitgelegt hatte.
Das Gewand bestand aus einem dünnen, silberfarbenen Leibchen und einem smaragdgrünen Hosenrock. Ihr Bauch blieb unbedeckt, sodass sie infolge der Kühle eine Gänsehaut befiel. Darüber streifte sie Tamylans mit hohem Kragen ausgestattetes, graues Wollkleid und hüllte sich zuletzt in den höchst nützlichen, wollenen Mantel der Sklavin. Den Rest des Gepäcks stopfte sie in den Leinenbeutel, den Tamylan regelmäßig benutzte, um die Wäsche zu den Waschweibern des Heerlagers zu bringen.
Tamylan machte sich ebenfalls ans Umkleiden, als Adrina das Zelt verließ. Die Wachen würdigten sie, während sie an ihnen vorbeieilte, kaum eines Blicks. Ihr Befehl lautete, Prinzessin Adrina im Zelt zurückzuhalten. Von einer Bediensteten, die die Wäsche ihrer Herrin fortschaffte, war keine Rede gewesen.
Während Adrina sich durch das Heerlager einen Weg zu Filip suchte, war mittlerweile die Dunkelheit angebrochen. Sie erlebte die zermürbendste Stunde ihres Daseins, stolperte auf unebenem Untergrund voran und umrundete schließlich das Häuflein mit Blut bespritzter Krieger, die zu erschöpft waren, um sich um sie zu scheren. Als sie zu guter Letzt am Rande des Lagers die Richtung zu dem kleinen Hain einschlug, wo Filip warten sollte, war ihr zumute, als müsste ihr übel werden. Furcht war kein Gefühl, mit dem sie je im Leben viel Erfahrung gesammelt hatte, und sie flehte inbrünstig zu jeder Gottheit, die ihr zufällig gerade Gehör schenken mochte, ihr für lange, lange Zukunft weitere solche Erlebnisse zu ersparen.
»Eure Hoheit?«, ertönte Filips Stimme im Flüsterton. Sie strebte zu der Stelle, wo er sich befinden musste, und zu ihrer Erleichterung traf sie dort nicht nur den jungen Lanzenreiter, sondern auch Mikel an, aus dessen Augen der Abenteuergeist leuchtete.
»Vorzüglich, Lanzenreiter«, sagte Adrina, sobald sie die drei dunklen Umrisse unterschied, die zwischen den Bäumen am kargen Gras knabberten. »Mikel, geh hin und achte auf Tamylan.« Gehorsam eilte der Bursche davon und ließ Adrina allein mit Filip.
»Ihr verlasst das Heerlager, Eure Hoheit?«, fragte Filip, während er ihr die Pferde zuführte. Sie konnte seinem Ton nicht anhören, ob er ihre Absicht guthieß oder missbilligte.
»Ich gedenke keine Mitwirkende dieses ungeheuerlichen Gemetzels mehr zu sein«, gab sie zur Antwort. »Fardohnja hat einen ausreichend hohen Blutzoll entrichtet, um die Karier zufrieden zu stellen.«
»Und was soll aus Eurer Leibwache werden, Eure Hoheit? Wenn die Karier Euer Fortsein entdecken …« Den Satz zu beenden war überflüssig. Adrina vermochte sich das Schicksal, das den Männern dann drohte, ebenso lebhaft auszumalen wie er.
»Ich wünsche, dass ihr euch noch in dieser Nacht über die Grenze absetzt. Nehmt jeden Fardohnjer aus dem Lager mit euch, der noch fähig ist zu atmen. Wer nicht reiten kann, den bindet auf den Sattel. Wenn ihr in Medalon angelangt, ergebt euch den Hütern.«
» Ergeben sollen wir uns?« Filips Stimme klang nach Bestürzung, aber seine Miene ließ sich im Dunkeln nicht erkennen.
»Ihr werdet für eine gewisse Zeitspanne Gefangene der Hüter sein müssen, jedoch bezweifle ich, dass sie euch irgendwelchen Schaden antun. Und als ihre Gefangenen erhaltet ihr viel bessere Verpflegung, als ihr sie auf dieser Seite der Grenze – als Verbündete Kariens – genießen dürft. Erzählt ihnen, eure religiösen Überzeugungen verböten euch das Weiterkämpfen. Die Hüter verstehen wenig von Göttern. Gewiss schenken sie euch Glauben.«
»Und wenn wir zuerst den Hythriern begegnen?«
»Sagt ihnen«, entgegnete Adrina ungeduldig, »Zegarnald hätte euch befohlen, die Waffen zu strecken.«
»Niemals würde der Kriegsgott …«
»Dergleichen ist belanglos, Filip«, fiel sie ihm barsch ins Wort. »Bringt euch in Sicherheit. Ich sehe euch lieber lebendig im Gewahrsam des Feindes als aus Rache für meine Flucht aus Kretins Ehejoch durch die Karier hingerichtet. Tut es für mich, und ich belohne jeden Einzelnen von euch, sobald wir alle wieder in Fardohnja sind.«
»Wie Ihr befehlt, Eure Hoheit.« Adrina merkte, dass Filip zauderte, aber zu mehr, als ihm diese Weisung zu erteilen, war sie nicht imstande. Falls die Männer es vorzogen, den Gehorsam zu verweigern, sollte es ihre Entscheidung sein.
Ruckartig fuhr sie herum, als sie hastige Schritte hörte, stellte jedoch erleichtert fest, dass es Mikel und Tamylan waren, die
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