Dämenkind 2 - Kind der Götter
Zeiten wandeln sich so geschwind, dass man schier den Überblick verliert.«
»Haltet Euch von mir fern, Fürst«, sagte Adrina in einem Tonfall, dessen Eisigkeit sogar die Vierte Hölle übertraf.
Wulfskling lächelte. »Was glaubst du, Tarjanian? Haben wir mehr davon, sie von den Kariern freikaufen zu lassen, oder von ihrem Vater?«
»Wenn ihr sie anfasst«, krähte Mikel, »bring ich euch um!«
»Was! Du?« Ein wütender Blick des HüterHauptmanns traf den Jungen, der sich sofort erschrocken duckte. »Bei den Gründerinnen, was führt denn dich hierher, du verworfener Bursche? Ich dachte, wir hätten dich zum letzten Mal gesehen.«
»Feigling!«, fuhr Adrina ihn an. »Wie könnt Ihr so abscheulich sein, ein schutzloses Kind zu ängstigen?« Mit bitterbösem Ton wandte sie sich an den Kriegsherrn. »Und was Euch anbelangt, so weigere ich mich, Eure Geisel zu sein.«
»Ihr weigert Euch, meine Geisel zu werden? Oh, was denn, ich erinnere mich ganz und gar nicht, Euch um Euer Einverständnis gebeten zu haben, Eure Hoheit.«
»Spart Euch Eure Frechheiten, Fürst! Ich bin eine fardohnjische Prinzessin königlichen Blutes.«
»Ein beachtlicher Aufstieg, bedenkt man, dass Ihr vor kurzem noch Court'esa gewesen seid«, bemerkte der Hüter, den ihre Worte offensichtlich nicht im Mindesten beeindruckten.
Die Begegnung verlief nicht zu Adrinas Vorteil. Als Geisel herzuhalten konnte sie sich nicht leisten. Zuerst
würde man Cratyn benachrichtigen und von ihm für ihre Freilassung wer weiß was nicht alles verlangen. In diesem Augenblick war es Adrina einerlei, ob der Krieg noch hundert Jahre dauerte.
Sie gedachte auf gar keinen Fall nach Karien zurückzukehren.
»Ich lehne es darum ab, Eure Geisel zu werden, weil ich Euch um Zuflucht ersuche, Fürst«, erklärte sie und ersann eilig, noch während sie den Satz sprach, die Grundzüge eines neuen Plans.
Der Kriegsherr gab sich keinerlei Mühe, seine Verblüffung und seine Zweifel zu verbergen. »Um Zu flucht ?«
Mikel keuchte entsetzt auf. »Aber Eure Hoheit …!«
»Schweig still, Kind!«
»Ihr erwartet, ich soll Euch glauben, dass Ihr fortlauft?«
»Ich laufe nicht fort , Kriegsherr, sondern ich ändere die Bedingungen des karisch-fardohnjischen Bündnisvertrags. Die Karier haben gegen die Abmachungen verstoßen, daher fühle ich mich nicht dazu gezwungen, meine Zusagen einzuhalten.«
Verhalten lachte der Hüter namens Tarjanian. »›Fortlaufen‹ erachte ich sehr wohl als zutreffendere Bezeichnung dafür.«
Damin Wulfskling schüttelte den Kopf; eindeutig glaubte er Adrina kein einziges Wort. »Und woraus soll unsere Gegenleistung für etwaig gewährte Zuflucht bestehen, Eure Hoheit?«
»Aus sicherem Geleit nach Fardohnja, und zwar auf eine Weise, die meiner hohen Stellung entspricht.«
»Sonst nichts ?« Der Hüter-Hauptmann stieß ein ungläubiges Auflachen aus.
»Sicheres Geleit nach Fardohnja? Damit Ihr Euren Vater aufsuchen und noch ärgeren Unfrieden stiften könnt? Ich glaube, uns auf dergleichen einzulassen ist uns unmöglich. Haltet Ihr mich wahrhaftig für so dumm?«
»Ihr bezichtigt mich der Lüge, Kriegsherr? Wie könnt Ihr etwas Derartiges wagen? Ich bin eine Prinzessin.«
»Ihr seid König Hablets Tochter«, stellte Wulfskling fest. »Deshalb müssen wir jedem Eurer Worte mit Argwohn begegnen.«
Diesen Mann, so erkannte Adrina, musste sie früher oder später nachhaltig in die Schranken verweisen. »Ich habe nicht vor, mich am Straßenrand von einem Barbaren beleidigen zu lassen. Vielmehr beharre ich darauf, ohne Verzug zu Medalons Oberstem Reichshüter gebracht zu werden, damit ich mein Anliegen jemandem vortragen kann, der besseres Gespür für Anstand und Würde hat, als es einem Wilden wie Euch zu Eigen ist.«
Damin Wulfskling lachte ihr ins Gesicht. Betont hochmütig entzog Adrina ihm ihre Aufmerksamkeit und wandte sich an den Hüter-Hauptmann.
»Der Junge untersteht meiner Obhut, und Gleiches gilt für meine Sklavin. Beide bleiben bei mir, damit ich zumindest die unentbehrlichsten Dienste genieße. Ihr sichert mir zu, Euch mit mir über jede Art von Forderung für meine Freilassung zu beraten und abzustimmen. Unter gar keinen Umständen bin ich bereit zur Umkehr nach Karien. Habt Ihr alles genau verstanden?«
Allem Anschein nach verschlug diese Aufzählung ih
rer Forderungen ihm die Sprache. Damin Wulfskling wechselte einen Blick mit dem Medaloner, bevor er ihr antwortete. »Eure Sklavin dürft Ihr behalten, Eure Hoheit. Was
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