Dämenkind 2 - Kind der Götter
»Ich mag Euch, Hauptmann. Ja, ich will Euch sogar verzeihen. Ist das Dämonenkind tatsächlich so furchtbar?«
»Nein, aber sich ganz darin sicher, wo es Grenzen zieht.«
»Und ich überschreite diese Grenzen?«
»Ihr steht dicht davor.«
Adrina fühlte sich so weit beschwichtigt, dass sie ein wenig von Tenragan Abstand nehmen konnte, ohne dass es sie wurmte. Sie hatte sich schon gefragt, ob ihre Verführungskünste allmählich schwanden. Mit allgemeinem Händeklatschen fand der Tanz ein Ende, und der Hauptmann geleitete Adrina zurück zur Treppe. Der Oberste Reichshüter hatte sich entfernt und sprach mit dem Verantwortlichen für die Pferde.
Die Musikanten stimmten eine andere Weise an, und bald hallte der Saal wider von den dröhnenden Stampfschritten der Tanzenden. Damin Wulfskling hockte auf der Treppe und trank Wein. Er stand nicht auf, als sich Adrina näherte. Sein Benehmen war in der Tat erschreckend schlecht.
»Wie ich sehe, tanzen Ihre Durchlaucht mit dem gleichen Eifer, den Ihr an den Tag legt, wenn es einfallsreiche Geschichten zu erzählen gilt«, stichelte Wulfskling. »Du hast es überstanden, Tarjanian. Ich bin stolz auf dich.«
»Nur mit knapper Not«, antwortete Tenragan mit breitem Lächeln. »Es war mir ein Vergnügen, Eure Hoheit, doch mir obliegen heute noch gewisse Pflichten. Ich bin ganz sicher, dass Kriegsherr Wulfskling Euch frohen Herzens Gesellschaft leisten wird.« Er verbeugte sich und strebte davon, ließ Adrina bei Wulfskling stehen. Sein plötzliches Entschwinden verschlug ihr die Sprache.
»Keine Sorge, Adrina, es ist keineswegs so, dass Ihr ihn vertrieben hättet. Er wartet auf einen Vogel aus der Zitadelle. Heute ist für Medalon ein weitaus wichtigerer Tag, als Ihr es ahnt.«
Verwundert wandte Adrina sich ihm zu. »Wovon redet Ihr?«
»Heute findet in der Zitadelle das alljährliche Konzil der Schwesternschaft des Schwertes statt. R'shiel beabsichtigt bei den Schwestern einige Veränderungen durchzusetzen, und Tarjanian ist wegen des Verlaufs ihres Vorhabens recht beunruhigt. Da, nehmt Platz und trinkt einen Schoppen. Sicherlich seht Ihr in mir, wenn Ihr erst tüchtig gezecht habt, einen erträglicheren Umgang.«
Adrina nahm den Becher, setzte sich neben dem Kriegsherrn auf eine Stufe und trank nachdenklich vom Wein. Es war ein erstaunlicher starker Tropfen. »Er hat mir einiges über R'shiel erzählt.«
»Was mich keinesfalls überrascht. Euer Verhalten, so solltet Ihr wissen, sah nicht allzu feinsinnig aus. Halb habe ich erwartet, Ihr reißt ihm gleich hier auf dem Tanzboden den Waffenrock vom Leib.«
»Müsst Ihr stets so ruppig sein?«
»Es entspricht dem Anlass, Hoheit. Führt Ihr Euch auf wie eine Hure, darf es Euch nicht befremden, wenn Ihr wie eine Hure behandelt werdet.«
Adrina hatte endgültig die Nase voll von diesem Barbaren. Von ihm erntete sie nichts als Demütigung und Hohn. Es war dringend erforderlich, ihn in die Schranken zu verweisen; unbedingt erforderlich, dafür zu sorgen, dass das überhebliche Feixen ein für alle Mal aus seinem Gesicht wich.
»Ihr seid ja eifersüchtig.«
» Euretwegen? Bildet Euch bloß nichts ein.«
»Natürlich seid Ihr eifersüchtig.« Adrina lachte. »Ich habe völlig falsch über Euch geurteilt. Fortwährend glaubte ich in Euch einen entarteten Lüstling zu erkennen, wie Euer Onkel einer ist, doch in Wahrheit versteht Ihr Euch als Kalianahs leibhaftiges Geschenk an das Frauenvolk. Ihr mögt mich nicht ausstehen, und doch ist Euch die Vorstellung unerträglich, ich könnte mich zu Tarjanian Tenragan hingezogen fühlen. Ach, was seid Ihr zu bedauern.«
»Eure kläglichen Versuche, Euch den Weg in die Freiheit zu erhuren, sind weit erbärmlicher als alles, was irgendwer an meinem Handeln als bemitleidenswert bezeichnen wollte, Adrina.«
»Hätte ich versucht, mir ›den Weg in die Freiheit zu erhuren‹, wie Ihr Euch so feingeistig auszudrücken be
liebt, wäre ich schon seit Wochen fort«, versicherte Adrina ihm voller Selbstbewusstsein.
»So, dermaßen bewandert seid Ihr in der Liebeskunst, hm?«
Adrina leerte den Becher in einem Zug. Die Stärke des Tranks bedeutete für sie eine echte Überraschung. Sie hatte gehört, dass trockenere Wetterverhältnisse stärkeren Wein hervorbrachten, doch bis heute war ihr der deutlich spürbare Unterschied zwischen den süßlichen Verschnitten Fardohnjas und den erdigen Weinsorten Medalons nicht geläufig gewesen.
»Tja, und wie sehr, das werdet Ihr ja niemals erfahren,
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