Dämenkind 2 - Kind der Götter
als R'shiel und erstaunlich grüne Augen. Vielleicht war sie Fardohnjerin. Auf keinen Fall stammte sie aus Medalon, und in Karien kannte man erst recht keinen derartigen Menschenschlag.
»Das dort soll das Dämonenkind sein?«, fragte der Jüngling voller hörbarer Zweifel. »Eindruck macht ihr Anblick nicht eben auf mich, was meint Ihr, Herzog?«
»Ich entsinne mich daran, das Gleiche gedacht zu ha
ben, als ich Euch zum ersten Mal sah, Kretin«, fuhr die Fardohnjerin ihn mit bemerkenswerter Giftigkeit an.
Wutentbrannt sprang der Jüngling aus dem Feldstuhl auf. »Du hast nur zu reden, wenn du etwas gefragt wirst, elendige Hure!«
Während R'shiel darum rang, bei Bewusstsein zu bleiben, so bot ihr der Streit zwischen dem ergrimmten karischen Jüngling und der schönen Fardohnjerin dabei Halt. Sie kannte beide nicht, doch der Zank hielt das Nichts von ihr fern. Er vereitelte Xaphistas beharrliche Bemühungen, sie zurück in die Unterwelt ihres Innenlebens zu locken. Flüchtete sie sich noch einmal ins eigene Ich, käme sie niemals wieder frei; das erkannte R'shiel mit aller Gewissheit.
»Wagt es nicht, in diesem Ton mit mir zu sprechen!«, wies die Fardohnjerin den Jüngling zurecht. »Wenn mein Vater erfährt, dass …«
»Wenn er was erfährt, Adrina? Dass du mich mit einem hythrischen Liebhaber hintergangen hast?«
Adrina. Eine der ›Metzen in durchsichtigen Kleidern.‹ Nachgerade irres Gelächter wollte in R'shiel emporsteigen, aber sie unterdrückte es. Die Erkenntnis, dass der Jüngling wahrscheinlich Kronprinz Cratyn war, half ihr, was das Klarerwerden ihres Denkvermögens anbelangte, ganz wesentlich auf die Sprünge. Und der ›hythrische Liebhaber‹? Selbst in ihrer noch spürbaren Angeschlagenheit fiel es R'shiel leicht, auf Anhieb zu erraten, von wem Cratyn redete.
»Welchem Liebhaber?«, fragte Adrina verächtlich. »Ist das irgendeine klägliche Behauptung, die Ihr als Vorwand ausgeheckt habt, um mich steinigen zu lassen?
Niemand wird Euch glauben, Kretin. Ich bin eine treue, pflichtbewusste Gemahlin. Ihr seid es, der unsere Ehe nie hat vollziehen können.«
Kalt lächelte Cratyn. »Ich habe einen Zeugen, Adrina.«
R'shiels Blick streifte den karischen Jungen, der aussah, als wäre er viel lieber andernorts, bloß nicht in diesem Zelt. Er hatte ein so schlechtes Gewissen, dass es ihn ins Schlottern versetzte.
Auch Adrina sah den Bengel an; dann lachte sie. » Mi kel ist Euer Zeuge? Ein Bub, der dem Feind ebenso lang wie Euch gedient hat? Er ist nicht einmal mehr ein Anhänger des Allerhöchsten. Sein Leitstern ist Dacendaran, der Gott der Diebe, und ich weiß es von dem genannten Gott selbst.«
»Außer dem Allerhöchsten gibt es keinen Gott«, erwiderte Cratyn.
Vortrefflich, sagte sich R'shiel. Dann bin ich ja überflüs sig.
Nun wandte sich Terbolt an den Jungen, der sich unter dem herrischen Blick des Herzogs duckte. »Ist das wahr, Bursche? Du hast dich einem falschen Götzen verschrieben?«
»Aber nein«, rief Mikel. »Ich verehre den Allerhöchsten.«
»Dacendaran sagt das Gegenteil«, erklärte Adrina höhnisch.
»Dacendaran?« Mikel guckte völlig verwirrt. »Er ist doch bloß ein Dieb.«
»Also kennst du ihn?«, fragte Terbolt.
»Ja gewiss, aber …«
Cratyn packte den Jungen und schüttelte ihn roh.
»Sprichst du wahr? Bist du ein Jünger des Gottes der Diebe?«
»Leg dich mit jemandem an, Kretin, der dir an Größe gleicht.«
Der Kronprinz ließ von dem Burschen ab und stürzte sich regelrecht auf die Prinzessin, schlug sie mit dem Handrücken wuchtig ins Gesicht. »Schweig still!«
Adrina taumelte rückwärts, sobald sie jedoch wieder das Gleichgewicht erlangt und sich das Blut aus dem Mundwinkel gewischt hatte, funkelte aus ihren Augen nichts als Trotz.
»Es geht Euch in die Binsen, stimmt's, Kretin? Wie lautete denn wohl Euer Vorsatz? Mich aufzustöbern, mich mir nichts, dir nichts totzuschlagen und zu behaupten, die Hythrier hätten es getan? Bloß bin ich zuvor in die Fänge der Hüter geraten, darum müsst Ihr einen anderen Weg beschreiten, nicht wahr? Ihr wollt mich der Unzucht beschuldigen und steinigen lassen. Aber unversehens taugt Euer Hauptzeuge nicht mehr zur Aussage, hab ich Recht? Ist er doch beileibe kein gewöhnlicher Anhänger Dacendarans, vielmehr nennt er ihn gar seinen Freund. Ach, es ist zu dumm, Kretin. Was nun?« Cratyn schlug sie ein zweites Mal. Wieder torkelte Adrina rückwärts, unvermittelt jedoch wandte sie sich an R'shiel.
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