Dämenkind 2 - Kind der Götter
Hablet hatte gehofft, Adrina
würde dank seiner ländlichen Raubeinigkeit und schlichten Bärigkeit für ihn eingenommen sein. Diese Hoffnung hatte sich als vollkommen unbegründet erwiesen.
Macht war es, die auf Adrina die merklichste Anziehungskraft ausübte, aber Hablet dachte nicht im Entferntesten daran, sie an einen mächtigen Mann zu verheiraten. Ihr gebührte ein Gatte, der ihren Ehrgeiz hemmte. Es hatte andere Freier gegeben, die sich allzu gern mit ihr verehelicht hätten und mit denen auch sie durchaus einverstanden gewesen wäre – nicht aus Liebe, sondern aus Streben nach gemeinsamer, umso größerer Macht –, aber Hablet hatte alle solchen Werbungen sofort verworfen.
Der karische Kronprinz hatte sich als die bestmögliche Lösung herausgestellt. Diesen unterwürfigen Jungen engten die Gebote seiner Religion dermaßen ein, dass es Adrina mit Gewissheit verwehrt bliebe, ihn zu irgendwelchen Tollheiten zu überreden. Aufgrund seiner auf dem Glauben fußenden Scheu vor der Wollust bedeuteten ihm nicht einmal Adrinas berühmte Verführungskünste eine Verlockung. Er hing an seinem Gott und an sonst wenig.
Arme Adrina … Eines Tages würde sie Königin von Karien sein. Infolge keiner anderen Überlegung als eingedenk der Aussicht auf die Macht, die ihr dort in Zukunft zufallen sollte, hatte sie letzten Endes eingewilligt, sich im Norden niederzulassen. Ihr stand eine große Enttäuschung bevor.
Die Musikanten beendeten ihre Melodie und spielten als Nächstes eine schwermütige karische Weise, um
Kronprinz Cratyns Ankunft anzukündigen. Die farbenfroh bemalte Schonerbark lag am Ende der Hafenmauer vertäut und wartete dort auf den karischen Thronfolger. Hablet runzelte die Stirn über das Schiff, zog jedoch den Rückschluss, dass wohl niemand anderes als er selbst für dessen ungemein schlechte Bauart die Verantwortung trug. Fardohnja beheimatete die tüchtigsten Schiffbaumeister der Welt, doch ließ Hablet ihre Kenntnisse geheimer und strenger hüten als seine Schatzkammer. Die Karier zimmerten sich üble Nachahmungen zurecht, die den fardohnjischen Vorbildern stets weit unterlegen blieben. Das Widersinnige war, dass Fardohnja für den Schiffbau über viel zu wenig Holz verfügte. Alles musste in Karien erworben werden. Dagegen mangelte es den Kariern – davon abgesehen, dass ihnen die fähigen Handwerker fehlten, Meister ebenso wie Gesellen – am Wissen der Fardohnjer, wie man Holz härtete und wasserdicht machte.
Der König widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Zeremoniell und lächelte dem jungen Kronprinzen breit zu. Flüchtig empfand Hablet, während er die ernste Miene des Jungen musterte, mit ihm Bedauern. Er sah einer lebenslangen Bindung an Adrina entgegen. Der bemitleidenswerte Tropf durfte sich nicht einmal zum Trost eine Geliebte nehmen. Doch das war eben der Preis, den es kostete, Thronfolger Kariens zu sein.
Höflich verbeugte Cratyn sich vor dem König und hielt eine recht weitschweifige Rede, in deren Verlauf er Hablet für seinen Großmut, seine Güte, seine Gastfreundschaft und dergleichen dankte; dabei sprach er Karisch, weil er die fardohnjische Sprache nicht be
herrschte. Nur halb hörte Hablet zu und gelangte unterdessen zu dem Eindruck, dass der Kronprinz leicht inzüchtig wirkte. Im Norden heiratete man immerzu innerhalb der Anverwandtschaft. Ein wenig frisches Blut konnte der karischen Königssippe wahrhaftig nur zum Vorteil gereichen.
»Ihre Durchlaucht, die Prinzessin Adrina …!«
Die Posaunenstöße, die Adrinas Auftritt begleiteten, waren ursprünglich nicht vorgesehen, aber diese Frechheit rang Hablet nur noch ein nachsichtiges Schmunzeln ab. Ein vorzüglich gewachsener junger Sklave, der lediglich ein weißes Lendentuch und viel Öl an seinem mit Muskeln bepackten Leib hatte, half Adrina untertänig aus der offenen Sänfte. Allem Anschein nach war es ihre Absicht, ihren Abgang zu einem Ereignis zu erheben, dessen man noch lange gedenken sollte.
Vor ihr reihte sich eine Anzahl in Weiß gewandeter, blutjunger Mädchen auf, die nun Blütenblätter im Übermaß ausstreuten, sodass die Füße der Prinzessin nicht das schmutzige Hafengemäuer berühren mussten. In Anbetracht der Tatsache, dass sie vor noch einer Woche geglaubt hatte, ein Kriegsschiff steuern zu können, sah Hablet darin eine augenfällige Ironie. Da bemerkte er den Ausdruck von Missbilligung in Cratyns Gesicht und konnte bloß mit Mühe ein Auflachen unterdrücken. Erst allmählich dämmerte dem
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