Dämenkind 2 - Kind der Götter
regelrechte Bestürzung bezeugte.
»Ach, das soll kein Hindernis sein, ich will gern dolmetschen«, entbot Adrina freundlich ihre Hilfe. »Allzu müde fühle ich mich wirklich nicht, und ich bin gern behilflich, obwohl all diese Gesprächsgegenstände mich zweifellos schier zu Tode langweilen werden … Aber wir sind jetzt Verbündete, nicht wahr? Nur bitte ich darum, nicht zu schnell zu sprechen, damit ich der Unterhaltung folgen kann. Tristan!«
Ihr Vorschlag fand, wie es den Anschein hatte, weder bei Herzog Terbolt noch bei Kronprinz Cratyn großen Anklang, und die arme Madren wirkte gar, als müsse sie in Ohnmacht sinken. Doch Adrina ließ ihnen schwerlich eine Wahl.
»Wie es Euch beliebt, Hoheit«, gab Terbolt mit merklichem Widerstreben nach.
Adrina raffte die Röcke, erklomm, Tristan an ihrer Seite, die Freitreppe und betrat das Gebäude.
»Adrina, geben dir diese Leute nicht zu denken?«, fragte Tristan leise, während sie, im Rücken das Gefolge, ins düstere Innere der Burg schritten. Als Adrina einen flüchtigen Blick über die Schulter warf, beobachtete sie, dass Herzog Terbolt seine Tochter Virgina mit so
viel Herzlichkeit daheim begrüßte, als erneuerte er die Bekanntschaft mit einer entfernten Anverwandten.
»Was willst du damit sagen?«, stellte Adrina eine Gegenfrage und schaute ihm ins Gesicht. »Es sind allesamt Trottel.«
»Mag sein. Dennoch überlege ich im Stillen, ob nicht etwa wir es sind, die hier zum Narren gehalten werden.«
»Du suchst dir wahrhaftig genau den rechten Zeitpunkt aus, um Bedenken vorzutragen, Tristan«, murrte Adrina, während sie über den mit Binsen bestreuten Steinboden des Burgsaals stakste. An den Mauern hingen große Fahnen, auf denen man sowohl das Wahrzeichen des Allerhöchsten wie auch Herzog Terbolts Wappen, eine silberne Lanzenspitze auf rotem Grund, abgebildet sah. Unter Umständen sollte der rote Hintergrund ein einfaches Sinnbild des schlammigen Eisenflusses sein. »Du warst es, der mich auch noch dazu ermuntert hat, in diese allein aus Gründen der Staatskunst vereinbarte Vermählung einzuwilligen.«
»Ich weiß.« Tristan seufzte auf. »Ich habe schlicht und einfach ein ungutes Gefühl. Was es auslöst, kann ich dir nicht erklären. Sei auf der Hut.«
»Du bist derjenige, der Obacht walten lassen sollte. Allerdings habe ich aus verlässlicher Quelle erfahren, dass du, beschränkst du deine Begierden auf unverheiratete Weiber, zumindest nicht gesteinigt wirst.«
»Mein beklagenswerter Eindruck ist, Adrina, uns steht ein langer, kalter Winter bevor.«
»Dir bleibt wenigstens die Aussicht, eines Tages heimkehren zu dürfen. Ich muss nun bei diesem Volk
mein ganzes Leben zubringen. Von Prinz Kretin dem Kriecher mag ich erst gar nicht reden.«
Tristan neigte den Kopf näher zu ihr, obwohl er Fardohnjisch sprach, sodass keiner, und sollte er lauschen, seine Antwort hören konnte. »Denk an etwas Ermutigendes. In ein, zwei Monaten zieht er in den Krieg. Mit ein wenig Glück halten die Medaloner ihn für Jahre im Felde fest.«
»Mit ein wenig mehr Glück schießen die Medaloner einen Pfeil auf ihn ab«, flüsterte Adrina, drehte sich, jeder Zoll eine Prinzessin, nach ihrem Verlobten um und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.
Kronprinz Cratyn erwiderte ihren Blick mit einer sonderbaren Miene. Nicht unbedingt Abneigung brachte sie zum Ausdruck, ihn bewegte ein stärkeres Gefühl. Adrina befiel die böse Ahnung, es könnte Abscheu sein.
14
TARJANIAN TENRAGAN KEHRTE erst spät am Tag ins Heerlager zurück. Unterwegs ließ er Blitz, seine Stute, die Geschwindigkeit nach Belieben wählen, während er noch über seine letzte Auseinandersetzung mit Palm Jenga nachsann. Der Hüter-Hochmeister versuchte ein Heer zusammenzuhalten, dessen Stimmung eher zum Verzweifeln neigte, darüber hatte Tarjanian volle Klarheit, und es belastete den Oberbefehlshaber schwer, dass er den Zusammenhalt ausschließlich durch Irreführung erwirken konnte. All das änderte jedoch nichts an seiner ablehnenden Einstellung gegenüber jedem Vorschlag, der auf einen Angriff gegen die Karier abzielte. Der Oberste Reichshüter gedachte Medalons Nordgrenze zu schützen, doch den ersten Schritt in den offenen Krieg mochte er nicht tun. Er wollte warten, bis die Karier über die Grenze vordrangen.
Tarjanian vertrat eine völlig andere Meinung. Im Sommer hatten auf karischer Seite lediglich fünfhundert Ritter gelagert, doch seither war das feindliche Heerlager in beträchtlichem
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