Dämenkind 2 - Kind der Götter
Umfang gewachsen. Nach Tarjanians Ansicht sollte man den Gegner zum Kampf zwingen, und zwar möglichst bald, bevor die karische Streitmacht so groß wurde, dass sie die medalonischen Legionen schlichtweg erdrücken konnte.
Palin Jenga war zornig gewesen, als er erfahren hatte, dass Tarjanian die Grenze überquert hatte. Mit der gleichen Vorgehensweise, die im Süden die Hythrier stets so erfolgreich beim Weideraub in Medalon angewendet hatten, war er mit einer Hand voll Männer im Schutz der Dunkelheit hinübergeritten und hatte die Pferde der Karier durch deren eigenes Lager gescheucht. Dadurch hatte er dem Feind außerordentlichen Schaden zugefügt und dessen Angriffsvorbereitungen vermutlich um Wochen zurückgeworfen. Im Vergleich dazu hatte Tarjanian nur drei Verwundete zu verzeichnen gehabt, und aus seiner Warte hatte er mit dem Vorstoß einen kleinen, aber durchaus bedeutsamen Sieg errungen.
Jenga dagegen hatte den Vorfall gänzlich anders bewertet. Er war aus Wut nahezu außer sich geraten, als er von dem Scharmützel Kenntnis erhalten hatte. In der Folge hatte er Damin Wulfskling, von dem der Einfall stammte, einen hirnrissigen Wüstling genannt und Tarjanian beschuldigt, ein ausgemachter Narr zu sein, weil er den Gedanken aufgegriffen hatte.
Nachdem er vor zwei Jahren dem Hüter-Heer abtrünnig geworden war, hatte sich Tarjanian des Öfteren nach der Gelegenheit gesehnt, wieder dessen Rückhalt und Kameradschaft genießen zu können. Heute jedoch, da er sich von neuem zu den Hütern zählen durfte, musste er feststellen, dass die Wiedereingliederung nicht ohne Reibungen verlief.
Ihm hatte es, so begriff er inzwischen, durchaus be hagt , Anführer der Rebellen zu sein. Er wusste, er war zum Befehlen und Führen geboren, und er hegte – ohne jegliche Eitelkeit – die Überzeugung, darin einiges zu leisten. Tarjanian brachte Jenga Achtung entgegen, war
es jedoch mittlerweile gewöhnt, eigene Entscheidungen zu fällen. Jenga war ein vortrefflicher Kriegsmann, aber er befand sich seit über zwanzig Jahren im Rang des Hochmeisters, und das bedeutete, er hatte unterdessen mehr Erfahrungen in der Staats- als in der Kriegskunst gesammelt. Tarjanian hatte während eines Großteils seines Lebens als Erwachsener im Kampf gegen Hythrier, Hüter und danach Karier gestanden. Jenga hatte seit Jahrzehnten das Schwert nicht mehr zu blutigem Gefecht erhoben.
Nach wie vor konnten sie den Kariern nur sechstausend der insgesamt zwölftausend Krieger des HüterHeers sowie eintausend hythrische Reiter aus der Provinz Krakandar entgegensetzen. Wenn er an die Hythrier dachte, fragte er sich unverzüglich, wie schon so oft, wo wohl Damin Wulfskling abgeblieben sein mochte.
Seit fast einem Monat hatte niemand den hythrischen Kriegsherrn mehr gesehen, und zwar nicht mehr seit der Streitigkeit, die er und Tarjanian mit Jenga aufgrund des Anschlags aufs karische Heerlager durchzustehen gehabt hatten: Wulfsklings letzte Äußerung war die Erneuerung der Absicht gewesen, sich an seinen Gott zu wenden. Falls Almodavar wusste, wo er sich aufhielt, so bewahrte er darüber Schweigen. Anscheinend beunruhigte die Abwesenheit seines Herrn den ergrauten hythrischen Hauptmann nicht im Geringsten. Wenn Damin Wulfskling den Vorsatz verfolgte, mit dem Kriegsgott zu sprechen, um seinen Segen zu erlangen, dann ließen sich von seinen Haudegen bestimmt keine Einwände erwarten. Allesamt glaubten sie inbrünstig
daran, dass ihnen Zegarnalds Beistand zufiel. In der Tat bauten sie fest darauf.
Als Tarjanian das Heerlager erreichte, lenkte er aufgrund einer verschwommenen inneren Eingebung sein Pferd in die Richtung der verstreut aufgeschlagenen hythrischen Zelte. Vielleicht wusste Almodavar inzwischen etwas Neues. Es fiel zusehends schwerer, Jenga glaubhaft zu machen, dass Damin nicht ganz einfach das Weite gesucht hatte.
Gemächlich ritt Tarjanian über den hythrischen Lagerplatz. Etliche Hythrier winkten, und er nickte ihnen zu. Die hythrischen Krieger achteten niemanden, bloß weil er einen Rang oder ein Amt hatte. Man erwarb ihre Achtung im Kampf, nicht durch Beförderung oder prächtige Rangabzeichen. Aber manche dieser Männer hatten Tarjanian schon an der Südgrenze gegenübergestanden. Sie kannten ihn als Kriegsmann und sahen das Bündnis ihres Kriegsherrn mit dem einstigen Widersacher als beileibe nichts Abwegiges an.
Die Hüter nahmen keine so bequeme Haltung ein. Ihnen war die Gegenwart der Hythrier zuwider, und daraus machten sie
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