Dämenkind 2 - Kind der Götter
haben, dass seine Leibwächter weiße Gewänder trugen, damit sein Volk zu jeder Zeit erkennen konnte, dass seine Krieger sich nicht mit unschuldigem Blut befleckt hatten.
Gleich was der Ursprung sein mochte, die Festuniform sah prachtvoll aus, und Tristan trat in seinem Waffenrock dermaßen stolz auf, als wäre er zum Prunken und Balzen geboren. Er hatte, sann Adrina, eine viel zu stattliche Erscheinung, um keine Scherereien zu verursachen. Ursprünglich war es ihre Sorge gewesen, Cassandra könnte im karischen Reich Unruhe stiften. Jetzt aber kam ihr die Wahrscheinlichkeit, dass Tristan sich in Schwierigkeiten bringen könnte, ebenso hoch vor. All die unterdrückten, angestauten Gefühle, die am karischen Hof schwelen mussten, und dazu die Lebenseinstellung ihres Bruders ergaben gemeinsam einen schnurgeraden Holzweg zum Unheil.
Kronprinz Cratyn, den der Auftritt der Ehrenwache sichtlich beeindruckte, reichte Adrina die Hand, ehe sie, dem Gefolge voran, über die tückische Laufplanke an
Land schritten. Auf der Ufermauer trat Tristan ihnen entgegen und vollführte eine tadellose Verbeugung.
»Eure Durchlaucht, Eure Königliche Hoheit, die Leibwache Prinzessin Adrinas von Fardohnja gibt sich die Ehre, Euch nach Burg Setenton zu geleiten«, sagte er auf Fardohnjisch und in recht hochtrabendem Tonfall. »Wie ich mir zu bemerken erlaube, handelt es sich dabei um einen öden Haufen Stein, der gerade so zugig ist und verseucht mit Flöhen wie jeder andere Bau in diesem von den Göttern verlassenen Land«, fügte er hinzu, ohne den Ton oder die Miene zu verändern, »sodass ich mir wahrlich von Herzen wünsche, ich wäre wieder daheim.«
Adrina wandte sich an Cratyn. »Mein Bruder heißt uns willkommen und legt sein Leben als Faustpfand in die Waagschale, dass wir unter seinem Geleit wohlbehalten die Burg erreichen«, übersetzte Adrina mit äußerer Gelassenheit, war innerlich jedoch froh darüber, dass Vonulus noch an Bord der Schonerbark weilte. Tristan musste sich wahrhaftig angewöhnen, vorsichtiger zu sein.
Kronprinz Cratyns Gesichtsausdruck war völlig entgeistert. »Euer Bruder?«
»Halbbruder«, berichtigte sich Adrina. »Tristan ist einer der Bankerte meines Vaters.«
Bei Adrinas beiläufiger Mitteilung entwich den Lippen der Hofdame Pacifica ein Aufächzen, eine Tatsache, die Tristan, der vorgeblich das Karische nicht beherrschte, keineswegs entging. Er verkniff sich ein Grinsen, als Cratyn, wie man hatte absehen können, auf das Heftigste errötete.
»Ähm … Bitte erklärt Eurem … Hauptmann … dass auch wir uns höchst geehrt fühlen«, stotterte Cratyn. »Allerdings glaube ich kaum, dass der Weg vom Hafen zur Burg für uns eine lebensbedrohliche Gefährdung darstellen könnte.«
»Anscheinend verursacht dein familiärer Stand Seiner Königlichen Hoheit eine gewisse Verlegenheit«, sagte Adrina zu Tristan.
»Seine Königliche Hoheit erregt mir den Eindruck, als träfe ihn gleich der Schlagfluss. Ich möchte wetten, er kann die Hochzeit gar nicht erwarten. Wollen wir aufbrechen?« Tristan bot ihr den Arm, den sie, indem sie ihrem Verlobten über die Schulter hinweg zulächelte, anmutig nahm.
In einer offenen Kutsche fuhren sie durch die steilen, gepflasterten Straßen Setentons hinauf zur Burg. In Trauben drängten sich Menschen längs des Wegs, um einen Blick auf die Fremde zu erhaschen, die einmal ihre Königin werden sollte. Adrina lächelte und winkte. Dergleichen lag ihr im Blut, und allem Anschein nach wussten die Karier es zu würdigen, dass sie ihnen Beachtung schenkte; zumindest gefiel es dem gemeinen Volk.
Nach einer Weile lehnte sich nämlich Hofdame Madren zu Adrina herüber. »Ihr dürft den Pöbel zu nichts ermutigen, Hoheit.«
»Ermutigen, meine Teure? Diese Leute sollen meine Untertanen werden, oder etwa nicht? Ich möchte, dass sie mich mögen.«
»Wirklich, es ist ohne Belang, ob sie Euch mögen, Hoheit«, erwiderte Madren. »Wichtig ist nur, dass sie Euch achten und gehorsam sind.«
»In Fardohnja gibt es eine Redensart, meine Liebe, die da lautet: ›Ein beliebter König ist schwerer umzubringen als ein verhasster König.‹ Es kostet nichts, sich huldvoll zu zeigen.«
»Es ist ungebührlich, Hoheit«, beharrte Madren hartnäckig auf ihrer Sichtweise.
»Was meint Ihr dazu, Prinz Kretin? Liegt Euch daran, dass Ihr beim Volk beliebt seid?«
»Das Volk liebt den Allerhöchsten, Eure Hoheit. Sein Segen ist es, der meiner Sippe das Recht zu herrschen verleiht. Was das Volk
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