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Dämenkind 2 - Kind der Götter

Dämenkind 2 - Kind der Götter

Titel: Dämenkind 2 - Kind der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Fallon
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Hochmeister Jenga nannte, aber die ärgste Furcht jagte Mikel der Hauptmann ein, der ihn ins Hüter-Lager gebracht hatte. Sein Name war Tarjanian Tenragan, und jeden Abend, wenn Mikel seine Gebete zum Allerhöchsten sprach, flehte er ihn an, den Hauptmann mit einem Blitz zu zerschmettern.
    In Mikel loderte nämlich ein wütender Hass gegen den hoch gewachsenen Medaloner, der mit solcher Seelenruhe angeordnet hatte, Jaymes zu verstümmeln, falls er, Mikel, kein Wohlverhalten an den Tag legte. Obwohl er bloß den Rang eines Hauptmanns einnahm, hatte es
    den Anschein, dass jeder auf seine Worte achtete, sogar Hochmeister Jenga, und die Hythrier hatte er zurechtgewiesen, ohne mit der Wimper zu zucken. Mikel war sich ganz sicher, dass nichts auf der Welt diesen Unhold einschüchtern konnte, und diese Überzeugung versetzte ihn in ernste Unruhe, denn daraus ließ sich der Rückschluss ableiten, dass die Medaloner – anders als Herzog Laetho des Öfteren geprahlt hatte – beileibe nicht beim ersten Ansturm der karischen Ordensritter die Flucht ergreifen würden.
    In der Tat erwies sich vieles von dem, was Mikel im karischen Heerlager zu Ohren gekommen war, als falsch. Die Hythrier aßen zum Frühstück keine gebratenen Säuglinge, und die in rote Waffenröcke gekleideten Hüter waren durchaus keine mit affiger Kluft geschmückten Weichlinge, die das Kriegertum lediglich mimten. Vielmehr waren sie hart gesottene, vortrefflich in der Kriegskunst bewanderte Männer. Sie verstanden sich, vermutete Mikel, weit vorzüglicher auf das Kämpfen als die Karier. Während man sich im karischen Feldlager die Zeit damit vertrieb, mit vergangenen Siegen aufzuschneiden – erkämpft allerdings auf dem Turnierplatz – oder vorab im Glorienschein künftigen Ruhmes zu schwelgen, strebten die medalonischen Kriegsleute bei Gefechtsübungen nach Vollkommenheit.
    Auch genossen sie, wie Mikel zur Kenntnis nehmen musste, eine wesentlich bessere Versorgung. Im Gegensatz zu der Lage bei den Kariern fand unablässig Nachschub den Weg zu den Hythriern und Medalonern – und zwar auf dem Gläsernen Fluss –, sodass sie im Vergleich zu Mikels Landsleuten lebten wie Könige. Wäh
    rend seiner bisherigen Gefangenschaft hatte er mehr gegessen als in der Zeitspanne nach der Ankunft im Feld als Herzog Laethos Page vor vier Monaten. Allmählich plagte ihn die Frage, ob es gar eine Sünde sein mochte, so fürstlich zu essen, aber wenn er die Einnahme einer Mahlzeit ablehnte, drohte Mahina ihm die zwangsweise Fütterung an. Einmal, als er sich auch gegen diese Drohung trotzig gezeigt hatte, hatte Mahina Hauptmann Tenragan gerufen. Der Hauptmann hatte ihn nur kaltherzig angeblickt und eine einzige Frage gestellt. »Linke oder rechte Hand?«
    Seitdem hatte Mikel kein Mahl mehr ausfallen lassen und die Erwägung, ob er sich durch zu üppige Ernährung versündigen könnte, kurzerhand verworfen.
    Mahina teilte ihm überall im Heerlager zu erledigende Aufgaben zu, die sich im Grunde genommen kaum von jenen Verrichtungen unterschieden, die er als Page des Herzogs auszuführen gehabt hatte. Er wartete an Speisetafeln auf, füllte Krüge mit Wein und machte für die Alte Botengänge. Bei allem hielt er Augen und Ohren weit offen.
    Mikel klammerte sich an die Überzeugung, irgendwann befreit zu werden. Im Übrigen konnte er es jederzeit mit Flucht versuchen; allerdings stand dann zu befürchten, dass der Hauptmann wahrscheinlich Jaymes über die Klinge springen ließ, und darum beschäftigte sich Mikel eher selten mit dieser Möglichkeit. Aber sollte ihm je die Flucht gelingen, wollte er Herzog Laetho so viele Erkenntnisse überbringen, wie er nur zu gewinnen imstande war; vielleicht legte sogar Prinz Cratyn oder König Jasnoff selbst darauf Wert, seinen Bericht zu ver
    nehmen. Mikel verdöste reichlich Zeit mit müßigen Tagträumen seiner triumphalen Rückkehr ins karische Heerlager, ausgestattet mit dem alles entscheidenden Wissen, das die Gewähr für einen Sieg der Karier bot.
    Unterdessen vollzog er stur die ihm zugewiesenen Tätigkeiten, weil er Hauptmann Tenragan keinen Vorwand liefern mochte, seinem älteren Bruder ein Leid anzutun. Mahina war manches Mal arg zerstreut, aber eigentlich eine gütige Frau, und sie zu hassen fiel ungemein schwer. Tatsächlich empfand Mikel es als schwierig – wenngleich sein gegen Tenragan gehegter Abscheu niemals erlosch –, überhaupt irgendwelche Medaloner zu hassen. Mehrheitlich behandelten sie ihn nämlich, obgleich

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