Dämenkind 2 - Kind der Götter
erkannte, dass er einen Scherz trieb, lächelte sie. »Du gehörst eigentlich nicht unter die Harshini, oder, Brakandaran?«
»So wenig, wie ich unter die Menschen gehöre. Doch lass dich von meinem Unvermögen, in der Welt meinen Platz zu finden, keinesfalls daran hindern, deinen eigenen Platz zu suchen.«
»Ich hatte eher den Eindruck, mein Platz wäre längst in Stein gehauen wie eine Nische«, entgegnete R'shiel verdrossen. »Ich bin das Dämonenkind, oder etwa nicht?«
»R'shiel, niemand wird dich zwingen, gegen Xaphista anzutreten, bevor du voll und ganz darauf vorbereitet bist. Zermartere dir darüber nicht mehr das Hirn. Wenn es wahrhaftig deine Bestimmung ist, es mit Xaphista aufzunehmen, dann wird einstmals der Tag anbrechen, an dem man dich nicht mehr darum bitten muss. Dann wird es dich von selbst dahin drängen.«
»So bald sehe ich nichts Derartiges voraus.«
»Ich habe dir geraten, dir nicht die Zunge zu verknoten, um das Zukünftige zu prophezeien.«
Für eine Weile enthielt sich R'shiel jeder Antwort. Sie schaute auf die Berge und kraulte müßig den jungen Dämon hinter dem großen, faltigen Ohr. Zu guter Letzt drehte sie sich wieder Brakandaran zu; inzwischen gelang es ihr, die Tränen zurückzuhalten.
»Denkt Tarja, ich sei tot?«
Diese Frage erstaunte Brakandaran gelinde. Er hatte nicht erwartet, dass sie über gewisse Dinge schon mit solcher Sachlichkeit nachdenken konnte. Als er selbst das erste Mal einen Magie-Bann mit dem Zweck, seine Gefühle zu dämpfen, abgestreift hatte, war er danach für die Dauer etlicher Tage halb umnachtet gewesen.
»Vermutlich. Ich weiß nichts davon, dass irgendwer ihm etwas anderes mitgeteilt hätte.«
»Dann hat er mittlerweile wohl die Trauer verwunden.« R'shiel seufzte. »Und ich werde erleben, wie er alt wird und als Greis stirbt. Ich weiß nicht, ob ich so etwas verkraften kann.«
»Von derlei Gedanken lass dich nicht beirren. In Anbetracht der Art und Weise, wie Tarjanian stets in die gefahrenreichsten Abenteuer eilt, müsste sich ein wahres Wunder ereignen, bevor er ein würdiges Greisenalter erreicht.«
Dieser schlechte Scherz rang R'shiel lediglich Missfallen ab. »Für einen Harshini bist du ein reichlich ungehobelter Kerl, wie?«
»Ich bin der Schrecken ihres Daseins«, gestand Brakandaran. »Will sagen, wenigstens war ich es, bis du aufgekreuzt bist und mir den Rang abgelaufen hast. Doch offenkundig bin ich dazu verflucht, deiner Sache zu dienen, ob es mir behagt oder nicht.«
»Du bist gar zu reizend zu mir …« R'shiel schenkte ihre Aufmerksamkeit erneut dem wunderbaren Ausblick und schwieg für ein Weilchen. »Ich wollte, ich wüsste, was ich tun soll, Brakandaran.«
»Was möchtest du denn tun?«
»Ich möchte heim. Nur sehe ich da einen kleinen Haken. Anscheinend habe ich gar kein Zuhause mehr. Ins Sanktuarium gehöre ich nicht, darüber hab ich unterdessen Klarheit gewonnen, und ich kann schwerlich in die Zitadelle umkehren.«
»Nein, das wäre wohl kaum ratsam«, pflichtete Brakandaran ihr mit mattem Lächeln bei.
»Was ist aus Frohinia geworden?«, erkundigte sich R'shiel unvermittelt. »Hat Tarja sie getötet?«
»Dacendaran hat ihren Verstand gestohlen, Tarjanian ihn zerstört. Sie lebt, ist seither aber so unschuldig und arglos wie ein Kind. Vermutlich befindet sie sich beim Hüter-Heer an der Grenze. Wäre sie in ihrem Zustand in die Zitadelle verbracht worden, hätten wir gewiss davon gehört.«
»Und dieser Hythrier, der Tarja zur Seite steht, was ist er für ein Mann?«
»Damin Wulfskling? Du fändest an ihm Gefallen. Er ist fast so ein Draufgänger wie Tarjanian. Manchmal glaube ich, es war ein Fehler, diese beiden Haudegen zu vereinen. Bei mir regen sich leise Zweifel, ob die Welt schon bereit ist für derartige Männer.«
»Und Meister Draco?«
Brakandaran stieß ein schweres Aufseufzen aus. »R'shiel, wenn du so gern wissen willst, welches Schicksal sie genommen haben, so begib dich zu ihnen. Zegarnald hat dir angeboten, dich zu ihnen zu schaffen. Hier
kannst du nicht ewig verharren, und das ist es ja auch gar nicht, was du willst. Folge deinem Gespür. Deine Bestimmung zeichnet sich durch die Eigenschaft aus, dich stets einzuholen, ganz einerlei, wie sehr du ihr zu entrinnen trachtest. Glaube mir, denn ich spreche aus Erfahrung.«
»War es deine Bestimmung, meinen Vater zu töten?«
Diese Frage machte Brakandaran so betroffen, dass er R'shiel zunächst nur wortlos anstarrte. Es dauerte etliche
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