Dämenkind 2 - Kind der Götter
ihrer Seite.
»Heda, du Bengel, was lungerst du da herum?«
Beklommen kehrte sich Mikel dem Mann zu, der ihn angesprochen hatte. Erleichtert erkannte er Ghari. Vor Ghari hatte er bei weitem nicht so viel Furcht wie vor den Hütern.
»Schwester Mahina schickt mich, um Hauptmann Tenragan zu suchen.«
Mit einem freundlichen Lächeln senkte Ghari eine Hand auf Mikels Schulter. »Auch ich halte nach ihm Ausschau. Dann sollten wir uns wohl gemeinsam auf die Suche machen, ja?«
Leicht verunsichert nickte Mikel und ließ Ghari vorangehen. Verstohlen behielt er den Mann im Augenmerk, in der Annahme, dass Ghari die Umgänglichkeit nur vorspiegelte; doch der junge Mann blickte ihn nur an und lächelte ein zweites Mal.
Mikel konnte diese Menschen nicht im Geringsten begreifen.
Tarjanian Tenragan befand sich auf der anderen Seite des Übungsgeländes, hatte den Oberkörper entblößt, sodass er nur noch Beinkleider und Stiefel trug, aber dessen ungeachtet und trotz des lediglich lauen Sonnenscheins bedeckte ihn Schweiß. Er übte sich mit einem anderen, etwas älteren Krieger im Schwertkampf; die Männer atmeten mühevoll, und auf ihrer verschwitzten Haut sammelte sich Staub, während sie Streiche austauschten. Beide Medaloner hatten die starken Muskelbündel, die man von Kriegsleuten kannte, die stundenlange Übungen mit der Klinge zu vollführen pflegten,
doch auf Tenragans Rücken die unverkennbaren Schwielen einer einstigen Auspeitschung zu sehen, verblüffte Mikel außerordentlich. Bei der Vorstellung, dass jemand Tenragan die Peitsche zu schmecken gegeben hatte, kitzelte Mikel das diebischste Vergnügen. Zu gern hätte er den Mann kennen gelernt, um ihm Dank zu sagen.
Unablässig erklang das Klirren der Klingen, während Tengaran und der andere Übende fochten, doch versuchte keiner die Oberhand zu erringen; offenbar betätigten sie sich auf diese anstrengende Weise, die wohl bis zur Ermüdung und darüber hinaus führen sollte, lediglich zur Stärkung der Muskeln. Einmal hatte Mikel einen Medaloner äußern hören, was für die Kräftigung wirklich zählte, sei die Übung, zu der man sich nach der Ermattung zwänge. Alles Vorherige diente angeblich nur dem Erwärmen.
Hauptmann Tenragan sah Ghari und Mikel sich nähern und hob die Hand, um das Übungsfechten zu beenden. Sein Gegner ließ das Schwert sinken und blickte ihnen entgegen. Weil ihr Erscheinen die Beendigung des Übens bedeutete, vollführte er, indem sein Gesicht sich zu einem Schmunzeln der Erschöpfung vollzog, mit der Waffe eine an Tenragan gerichtete Grußgebärde.
»Du wirst langsam, Tarjanian. Noch immer bin ich dir gewachsen.«
» Ich werde langsam?« Tenragan lachte und erwiderte die Geste. »Viel wahrscheinlicher ist es, dass ein karischer Ordensritter aus deinem Fell eine Trophäe macht.«
Der ältere Medaloner – Hauptmann Alcarnen, wie Mikel sich nun entsann – lachte ebenfalls, nahm das zur Seite geworfene Hemd an sich und wischte sich damit die Schweißperlen von der Stirn, bevor er es sich über die Schulter warf. »Sei mir gegrüßt, Ghari«, sagte er zu dem Jüngling, indem er an ihm vorüberstapfte und ihm zunickte.
»Ich grüße Euch, Hauptmann«, antwortete Ghari mit überraschend deutlich spürbarem Missbehagen. Erstaunt sah Mikel ihn an. Ghari erübrigte für Hauptmann Alcarnen, so viel stand fest, ganz und gar keine freundschaftlichen Gefühle.
»Sicherlich kommst du nicht zum Plaudern, oder?«, fragte Tenragan. Er schlüpfte in das Hemd, aber er stopfte den Saum nicht ins Beinkleid.
»Nein, nicht«, bestätigte Ghari. »Bei unseren Anhängern braut sich Unsegen zusammen. Ich dachte mir, es mag sein, dass du da etwas unternehmen kannst.«
Über diese Mitteilung wirkte der Hauptmann wenig erfreut. »Was ist es denn dieses Mal?«
»Einige Männer haben ein Zegarnald-Heiligtum errichtet. Die Hüter haben es niedergerissen.«
»Heidnischer Götzenkult verstößt wider das Gesetz, Ghari. Du weißt es so genau wie sie.«
Ghari stemmte die Fäuste in die Hüften und musterte Tenragan störrischen Blicks. »Zum Henker, Tarjanian, wir sind dir gefolgt, um Medalon vor den Kariern zu retten. Du hast uns verheißen, alles werde sich wandeln, es stehe uns in Bälde frei, unsere Götter zu verehren …«
»Nun denn, ich rede mit Jenga«, versprach Tenragan, fühlte sich dabei aber sichtlich unwohl in seiner Haut. Plötzlich fiel sein Blick auf Mikel, der vor Furcht ein
wenig bebte. »Und was willst du, Junge?«, erkundigte er
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