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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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gefiel ihr das. Es bereitete ihr Vergnügen, jedes Jahr mehr Geld auszugeben, alles immer weiter auszudehnen und zu verbessern, im Kleinen wie im Großen, auf Unerwartetes schnell und energisch zu reagieren, maßlose Forderungen herunterzuhandeln, Schwierigkeiten zu überwinden und am Ende des Jahres müde, aber siegreich dazustehen, mit gelungenen Verbesserungen, bezahlten Rechnungen und einem beruhigend ausgeglichenen Bankkonto. Für Pauline bedeutete das «Leben».
    Und wie sich der Aufwand in Cedarledge nun auszahlte! Ihr Mann, angelockt von dieser frischen Schönheit, verzichtete freiwillig auf die alljährliche Reise nach Kalifornien, die aufregenden Freuden des Tarpunfischens und die Unabhängigkeit des Junggesellendaseins – und das alles, um mit Frau und Kindern einen friedlichen Monat auf dem Land zu verbringen. Pauline war, als hätten bei dieser Entscheidung sogar die fünfundzwanzigtausend zusätzlichen Tulpenzwiebeln eine Rolle gespielt. Und was würde er erst sagen, wenn er die neuen Badezimmer sah, an der Feuerwehrübung im Dorf teilnahm und in das künstlich erwärmte Wasser des neuen Schwimmbeckens eintauchte? Ein Nebel aus Glück umflorte ihre Augen, als sie auf die frühlingsüberhauchte Landschaft hinausblickte.
    Nona war ihrer Mutter nicht ins Haus gefolgt. Die Hunde auf den Fersen, stürzte sie den Hang hinunter zum Wald und zum See. Sie wusste nichts von den Kosten, die Cedarledge verursacht hatte, und nur wenig von der Mühsal, es zu erschaffen. Es war einfach die Welt ihrer Kindheit, sie konnte es weder aus einem anderen Blickwinkel betrachten noch sich vorstellen, dass es jemals anders gewesen war. Für sie hatte Cedarledge immer denselben magischen Reiz besessen, sich in dieselben weiten Fernen erstreckt. Es war eine der letzten Illusionen, die ihr mit ihren neunzehn Jahren noch geblieben waren.
    Auf dem Weg am See spürte sie, wie sie wieder dem alten Zauber verfiel. Die knospenden Zweige, der Duft des schwarzen, vor Leben bebenden Torfbodens, der vereinzelt mit Hartriegel geschmückte Wald – das war der Schauplatz kindlicher Abenteuer, früher Spiele mit Jim, der Indianerlager auf der weidengesäumten Insel und des unschuldigen Einfallens in den Rhododendron, um bei Mondlicht zu rudern oder zu baden.
    Der alte Kahn war Mrs Manfords alljährlichem «Frühjahrsputz» entgangen und leckte noch immer durch dieselben modrigen Fugen. Nona stieß sich vom Ufer ab, beugte sich über die Riemen, und das Herz wurde ihr weit vom großen Possenspiel des Frühling s …
    Manford fragte: «Alles in Ordnung, ja? Warm genug? Fahre ich auch nicht zu schnell? Die Luft ist noch frisch hier in den Bergen», und Lita versank neben ihm in tiefes Schweigen, das sie weich einhüllte wie ihr Pelz. Wenn er den Kopf ein wenig drehte, konnte er zwischen Hutkrempe und Silberfuchs lediglich ihre Nasenspitze und die geschwungene Oberlippe sehen, und das Gefühl, dass sie so nah und still neben ihm saß, versunken in das warme, animalische, für ihn stets erholsame Schweigen, zerstreute sein letztes Unbehagen und ließ ihm ihre Anwesenheit so ungefährlich und natürlich erscheinen, als wäre sie seine Tochter.
    «Es war doch ganz gut, dass du den Jungen mit der Bahn geschickt hast – ich habe schon geahnt, dass ich für den Stundenplan des jungen Herrn zu spät loskomme.» Mit einem zufriedenen Lachen kuschelte sie sich noch tiefer in den Sitz neben ihm.
    Manford, mit dem Lenkrad beschäftigt, widerstand der plötzlichen Regung, eine Hand auf die ihre zu legen, und wandte ihr beharrlich sein Profil zu. Es war wunderbar, wie erfolgreich sich sein Plan anließ, wie vernünftig sie schließlich darauf eingegangen war. Das arme Kind! Zweifellos wäre sie bei Verwandten, die sie zu nehmen gewusst hätten, immer vernünftig gewesen. Und er schmeichelte sich, über dieses Wissen zu verfügen. Es war nicht einfach gewesen, gerade am Anfang, aber jetzt hatte er den richtigen Ton getroffen und gedachte ihn beizubehalten. Nicht eigentlich väterlich; sie wäre die Erste gewesen, die über etwas so Altmodisches gelacht hätte. Heldenväter waren mit dem letzten Tremolo von der Bühne verschwunden. Nein, eher älterer Bruder. Das war es. Die gleiche freie, freundliche Beziehung, wie sie zum Beispiel zwischen Jim und Nona herrschte. Ja, er hatte Lita sogar aufgezogen, und sie hatte nichts dagegen gehabt; er hatte sich über diesen albernen Ardwin lustig gemacht, und sie hatte nur gelacht und mit den Schultern gezuckt. Dieses

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