Daemmerung der Leidenschaft
ich – aber du benimmst dich ihr gegenüber wie ein bösartiges Luder. Glaubst du etwa, sie würde dich weiter hier wohnen lassen?«
Corliss warf verächtlich den Kopf zurück. »Roanna ist ein Jammerlappen. Mit ihr werde ich jederzeit fertig.«
»Wie ich schon sagte: du strohdumme Gans! Sie hält im Moment nur deshalb den Mund, weil sie Lucinda sehr mag und nicht will, daß sie sich aufregt. Doch wie auch immer, du solltest dich besser nach einer neuen Bleibe umsehen.«
»Meine Großmutter wird nicht zulassen, daß du mich rauswirfst.«
Webb schnaubte nachdrücklich. »Davenport gehört nicht Gloria. Es ist nicht an ihr, das zu entscheiden.«
»Und dir gehört es auch nicht! Noch nicht, jedenfalls. Es kann noch eine Menge passieren, bis Tante Lucinda stirbt.« Sie gab sich triumphierend, und Webb fragte sich, was sie nun schon wieder ausheckte.
Er hatte es satt, sich mit der albernen Schlampe rumzuärgern. »Dann sollte ich vielleicht noch etwas hinzufügen; wenn du anfängst, deine große Klappe aufzureißen und Probleme zu machen, dann fliegst du erst recht raus. Und jetzt geh mir aus den Augen, bevor mich noch der Ekel vor dir übermannt.«
Sie schlenderte von dannen, wobei sie frech mit dem Hintern wackelte, um ihm zu zeigen, daß sie sich nicht von ihm einschüchtern ließ. Vielleicht stimmte das für den Moment, aber sie würde es ganz bestimmt nicht endgültig darauf ankommen lassen.
Behutsam öffnete er die Arbeitszimmertür einen Spalt, um sich davon zu überzeugen, daß sie Roanna nicht aufgeweckt hatten. Er hatte zwar seine Stimme gedämpft, aber Corliss hegte solche Skrupel nicht. Grimmig schwor er sich, sie noch heute abend auf die Straße zu setzen, falls Roannas Augen offen waren.
Doch sie schlief friedlich, den Kopf in die breite Ohrenbackenlehne des bequemen Bürostuhls gekuschelt. Er stand in der Tür und betrachtete sie. Ihr dichtes, kastanienbraunes Haar war leicht zerzaust und ihre Wangen vom Schlaf rosig überhaucht. Ihre Brüste hoben und senkten sich mit ihrem langsamen, ruhigen Atem.
So hatte sie auch in der Nacht geschlafen, die sie gemeinsam verbracht hatten – jedenfalls, so lange er sie in Ruhe ließ. Wenn er gewußt hätte, wie kostbar so eine Erholungsphase für sie war, hätte er sie bestimmt nicht so oft aufgeweckt. Doch danach hatte sie jedesmal den Kopf an seine Schulter gelegt und sich an ihn geschmiegt.
Mit einem Mal erfüllte ihn eine tiefe Sehnsucht. So würde ich sie gerne wieder halten, dachte er. Das nächste Mal kann sie in meinen Armen schlafen, so lange sie will!
16
Corliss zitterten noch die Knie, als sie die Treppe erklomm, doch das Zittern war nicht nur äußerlich. Sie brauchte etwas, und zwar schnell. Sie hetzte in ihre Suite, schloß die Tür zu und durchwühlte all ihre Verstecke: das Loch, wo die Naht im Sofa ein wenig aufgerissen war, ihre leere Gesichtscremedose, unter dem Lampenfuß, in dem Schuhfach. Leider fand sie erwartungsgemäß nichts – aber sie brauchte so dringend eine Nase Kokain, daß sie trotzdem nachgesehen hatte.
Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu sprechen? Sie hatte ihn schon immer gehaßt, Jessie auch und ebenso Roanna. Das war einfach unfair! Warum sollten sie auf Davenport leben dürfen, während sie in einer blöden Hütte hatte aufwachsen müssen? Ihr ganzes Leben lang hatten die Leute, die Schulkameraden arrogant auf sie herabgesehen, weil sie bloß eine arme Verwandte der Davenports war. Aber manchmal geschahen eben doch Wunder, wie der Mord an Jessie und daß man Webb dafür verantwortlich machte. Corliss hatte sich insgeheim diebisch gefreut; Himmel, es war so schwer gewesen, nicht zu jubilieren bei dieser Wendung der Ereignisse! Aber sie hatte schön brav die Kummervolle gespielt und ihre Beileidsbezeugungen heruntergeschnurrt. Als Webb dann fortgegangen war, hatten sich die Dinge rasch ins rechte Lot gerückt, und sie und ihre Familie waren auf Davenport eingezogen, wo sie ohnehin längst hingehörten.
Danach hatte sie auf einmal jede Menge Freunde gehabt, und zwar solche, die wußten, wie man sich amüsierte, nicht die hochnäsigen Snobs mit ihren stolzen Ahnengalerien – »mein Urgroßvater hat noch im Krieg mitgekämpft!« –, deren Männer nicht wagen würden, in Gegenwart von Ladies zu fluchen. Was für ein Haufen Bockmist! Ihre Freunde dagegen wußten, wie man sich einen schönen Lenz machte.
Sie war nicht dumm, hielt sich von den harten Drogen fern. Kein harter Stoff, keine Spritzen für sie, nein danke!
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