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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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aufgereckt wie eine Blume, die sich dem Licht zuwendet.
    Jetzt war sie alles andere als schlicht; sie hatte sich zu einer überraschend eindrucksvollen Person gemausert. Ihr Antlitz besaß die Art von starker, gemeißelter Knochenstruktur, der das Alter kaum etwas würde anhaben können. Webb hatte sich darauf gefaßt gemacht, permanenter Versuchung widerstehen zu müssen; er konnte doch ihre Schwäche und Verletzlichkeit nicht ausnützen, bloß um seine Lust zu befriedigen! Verdammt nochmal, anstatt sich verletzlich und schwach zu zeigen, verhielt sie sich indessen ihm gegenüber absolut distanziert, und meistens war sie sowieso nicht da. Es kam ihm vor, als würde sie ihm absichtlich aus dem Weg gehen, und dieser Gedanke verstörte ihn mehr, als er zugeben wollte. War es ihr peinlich, mit ihm geschlafen zu haben? Er konnte sich erinnern, wie zugeknöpft er sie am nächsten Morgen antraf. Oder mißfiel es ihr, daß er Davenport erben würde und nicht sie?
    Lucinda hatte gesagt, Roanna hätte kein Interesse an dem Besitz, aber wenn sie sich nun irrte? Roanna versteckte so viel hinter ihrer ausdruckslosen, kühlen Fassade. Früher einmal hatte er in ihr wie in einem Buch lesen können; doch nun erforschte er unentwegt ihre Züge, sobald er die Gelegenheit dazu hatte – um endlich ein etwaiges Aufflackern von Gefühlen zu erhaschen. Meist jedoch sah er nur, wie müde und erschöpft sie war, und die stoische Geduld, mit der sie ihren Zustand ertrug.
    Wenn er geahnt hätte, wieviel Arbeit ihr diese verdammte Party machen würde, hätte er nie seine Einwilligung erteilt. Falls sie jetzt immer noch damit beschäftigt wäre, würde er ein Machtwort sprechen. Die Erschöpfung und Anspannung war ihr heute deutlich anzusehen, dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab; offenbar hatte sie also wieder nicht schlafen können. Schlaflosigkeit war eine Sache, nachts wachzuliegen und trotzdem tagsüber bis zur Erschöpfung zu arbeiten jedoch eine ganz andere. Sie brauchte etwas Abwechs lung, etwas Entspannung, und er dachte, daß ein langer, gemütlicher Ausritt hier genau das Richtige wäre. Nicht nur liebte sie das Reiten, die körperliche Aktivität würde ihr heute nacht ja vielleicht auch zu ein wenig Ruhe verhelfen. Er selbst verspürte auch allmählich Hummeln im Hintern, da er daran gewöhnt war, täglich viele Stunden im Sattel zu verbringen; ihm fehlten die physische Herausforderung ebenso wie die erfreuliche Gesellschaft der Pferde.
    Er betrat das Haus durch den Kücheneingang und lächelte Tansy zu, die summend, scheinbar ziellos und niemals in Eile, herumging und dennoch köstliche, viergängige Mahlzeiten auf den Tisch zauberte. Tansy hat sich in all den Jahren am wenigsten verändert, dachte er. Sie mußte jetzt wohl auf die Sechzig zugehen; aber ihr Haar war ebenso graumeliert wie schon damals bei ihrem Dienstantritt. Sie war klein und pummelig, und die Freundlichkeit strahlte ihr geradezu aus ihrem gutherzigen Gesicht.
    »Heute abend gibt es Zitronencremeschnitten als Nachspeise«, verkündete sie zwinkernd, weil sie wußte, daß ihm bei dieser Aussicht das Wasser im Mund zusammenlief. »Paß auf, daß du nachher noch genug Platz dafür hast.«
    »Ich werde es mir zu Herzen nehmen.« Tansys Zitronencremeschnitten schmeckten so köstlich, daß er sich ausschließlich davon hätte ernähren können. »Weißt du, wo Roanna ist?«
    »Aber sicher. Bessie war gerade hier und hat gesagt, daß Miss Roanna im Arbeitszimmer eingeschlafen ist. Das überrascht mich gar nicht, muß ich sagen. Man konnte es dem armen Kind ansehen, daß die letzten Nächte schlimm gewesen sein müssen, noch schlimmer als sonst.«
    Sie schlief. Er wußte nicht, ob er sich darüber freuen oder enttäuscht sein sollte, denn er hatte sich auf den Ausritt mit ihr gefreut. »Dann werde ich sie auch nicht stören«, versprach er. »Und wie steht es mit Lucinda?«
    »Ich glaube, sie ist noch nicht wieder runtergekommen.« Tansy schüttelte traurig den Kopf. »Miss Lucinda hat es nicht leicht, dieser Tage. Man merkt immer, wenn alte Leute bereit sind zu gehen – denn dann schmeckt ihnen auf einmal ihr Lieblingsessen nicht mehr. Nun, so hat es die Natur wohl eingerichtet, daß man sich allmählich von allem löst. Meine Mama, der Herr möge ihrer Seele gnädig sein, mochte Würstl mit Sauerkraut mehr als alles andere; aber ein paar Monate vor ihrem Ableben hat sie gesagt, daß sie ihr einfach nicht mehr so richtig schmecken, und wollte sie auf

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