Daemmerung der Leidenschaft
Angst, die erst jetzt langsam nachließ, grinsen mußte. »Ich weiß, mein Schatz. Aufsetzen macht es aber nur noch schlimmer. Bleib ruhig liegen.«
»Ich will jetzt aufstehen.«
»Gleich. Laß erst den Arzt nach dir sehen.«
Sie stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Na, meinetwegen.« Doch bevor die Sirenen mit der Ankunft der Wagen abgeschaltet wurden, versuchte sie bereits wieder, sich aufzusetzen, und da wußte er, daß sie noch desorientiert war. Das hatte er zuvor schon bei anderen Verletzten beobachtet; es war ein Instinkt: Aufstehen und sich so schnell wie möglich vom Ort der Gefahr entfernen!
Er hörte, wie Greg die Lage schilderte, während er eine wahre Parade von Leuten hinter sich her in den ersten Stock schleppte. Sechs Mann waren mit dem Notarztwagen gekommen und mindestens ebensoviele Deputies; außerdem waren noch mehr unterwegs, wie man aus dem nichtendenwollenden Sirenengeheul schließen konnte.
Webb und Lucinda wurden ohne viel Federlesens beiseitegeschoben, und vier Männer und zwei Frauen vom Notfalldienst scharten sich um Roanna. Webb wich zur Wand zurück. Lucinda klammerte sich zitternd an ihn, und er legte liebevoll den Arm um sie. Als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht an ihn lehnte, merkte er, wie zerbrechlich ihr einst kräftiger Körper sich anfühlte.
Noch mehr Deputies erschienen auf der Bildfläche und mit ihnen der Sheriff. Booley Watts befand sich jetzt im Ruhestand; aber der neue Sheriff, Carl Beshears, war neun Jahre lang Booleys Stellvertreter gewesen, bevor er selbst zum Sheriff gewählt wurde; auch an Jessies Fall hatte er seinerzeit schon mitgearbeitet. Er war ein kompakter, muskulöser Mann mit eisgrauen Haaren und einem mißtrauischen Blick. Booleys Stil war der eines netten Onkels gewesen, ganz Südstaaten-Charme und Gutmütigkeit; Beshears war brüsker, kam gleich zur Sache, obwohl auch er hatte lernen müssen, seinen Kasernenhofstil, den er bei den Marines eingetrichtert bekommen hatte, ein wenig zu modifizieren. Er begann damit, die Familie um sich zu sammeln und ein wenig beiseite zu führen. »Leute, wir wollen dem Notarzt nicht im Weg stehen, nicht wahr? Die kümmern sich schon um Miss Roanna.« Sein stahlharter Blick fiel auf Webb. »Also, was ist hier vorgefallen?«
Bis jetzt waren Webb die Ähnlichkeiten zwischen dieser Situation und dem Geschehnis vor zehn Jahren mit Jessie noch gar nicht aufgefallen. Er hatte sich ausschließlich auf Roanna konzentriert, hatte sich um sie geängstigt und um sie gekümmert. Die alte, kalte Wut glimmte wieder in ihm auf, als ihm klarwurde, daß Beshears also ihn im Verdacht hatte.
Unter Aufbietung aller Kräfte beherrschte er sich, denn jetzt war nicht der Zeitpunkt für eine Szene. »Ich hörte, wie Roanna schrie«, sagte er so ruhig wie möglich. »Es kam von vorne, vom Treppenabsatz her, und ich hatte Angst, daß sie, ohne das Licht anzumachen, durchs Haus gegangen und runtergefallen war. Aber als ich hinkam, lag sie am Boden, so wie jetzt.«
»Woher wußten sie, daß es Roanna war, die geschrien hat?«
»Ich wußte es einfach«, antwortete er gepreßt.
»Sie glaubten nicht, daß jemand anders im Haus aufgestanden sein könnte?«
Lucinda, die das unüberhörbare Mißtrauen in Beshears Stimme hörte, riß sich aus ihrer Erstarrung. »Das gibt es nicht«, sagte sie in festem Ton. »Roanna leidet unter Schlaflosigkeit. Wenn nachts jemand im Haus herumgeistert, dann sie.«
»Aber sie waren wach«, sagte Beshears zu Webb.
»Nein, ich bin aufgewacht, als ich sie schreien hörte.«
»Wir alle sind davon aufgewacht«, mischte sich Gloria ein. »Roanna litt eine Zeitlang unter Alpträumen, und ich dachte, sie hätte wieder einen gehabt. Webb rannte gerade an meiner Tür vorbei, als ich rausschaute.«
»Sind Sie sicher, daß es Webb war?«
»Ich weiß es«, meinte Brock energisch und blickte dem Sheriff gerade in die Augen. »Weil ich direkt hinter ihm war.«
Beshears sah ein wenig frustriert drein, mußte dann jedoch mit einem Schulterzucken einräumen, daß wohl doch keine Verbindung zwischen den beiden Vorfällen bestand. »Also ist sie gestürzt oder nicht? In der Zentrale sagte man, sie haben nach dem Notarzt und der Polizei verlangt.«
»Gerade als ich sie fand, hörte ich unten ein Geräusch«, berichtete Webb.
»Was für ein Geräusch?« Beshears' Gesichtsausdruck war mit einem Schlag wieder wachsam.
»Ich weiß nicht ... so, als ob etwas runtergefallen wäre.« Webb sah Brock und Greg an.
»Brock und ich
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