Daemmerung der Leidenschaft
ganz einfach. Sie würde alles so belassen, wie es war, mit Roanna als Alleinerbin. »Aber ... was wirst du tun?«
Er lächelte, ein langsames Lächeln, das sich über sein ganzes Gesicht ausbreitete. »Sie kann mich anheuern, um den Geschäftskram für sie zu erledigen«, sagte er leichthin. Auf ein mal wußte er ganz genau, was er wollte, und ihm war, als würde ihm endlich eine Erleuchtung zuteil. »Oder noch besser, ich heirate sie!«
Das verschlug Lucinda wirklich die Sprache. Sie brauchte eine volle Minute, bevor sie ein »Wie bitte?« hervorkrächzen konnte.
»Ich heirate sie«, wiederholte Webb mit wachsender Entschlossenheit. »Gefragt hab ich sie noch nicht, also sag vorerst nichts.« Ja, er würde sie ehelichen, so oder so. Ihm war, als ob auf einmal der Groschen gefallen wäre, als ob die Dinge zu guter Letzt an ihren richtigen Platz rückten. Es fühlte sich richtig an. Nichts war ihm je richtiger vorgekommen. Roanna hatte immer zu ihm gehört – und er immer zu ihr.
»Webb, bist du dir sicher?« fragte Lucinda besorgt. »Roanna liebt dich, aber sie verdient es, wiedergeliebt zu werden ...«
Er betrachtete sie vollkommen ernst. Seine grünen Augen funkelten, und sie verfiel in erstauntes Schweigen. »Da sieh mal einer an«, wiederholte sie.
Nun begann er zu erklären. »Jessie – ich war besessen von ihr, glaube ich, und irgendwie habe ich sie wohl geliebt, weil wir zusammen aufgewachsen sind; aber das Ganze stimmte später nicht mehr. Ich hätte sie nie heiraten dürfen; aber ich war derart verrannt in die Idee, Davenport zu erben und die Kronprinzessin zu heiraten, daß ich über den Verlauf unserer Ehe nie genügend nachdachte. Aber Roanna ... ich glaube, ich liebe sie schon, seit sie auf der Welt ist. Als sie noch klein war, habe ich sie wie ein großer Bruder geliebt; aber jetzt ist sie erwachsen, und unsere Beziehung hat sich geändert.« Er seufzte und dachte an all die Jahre, in denen seine Gefühle und sein Erbe miteinander rangen. »Wenn Jessie nicht getötet worden wäre, hätten wir uns scheiden lassen. Ich hab das ernst gemeint, was ich an dem Abend sagte. Wir hatten uns gegenseitig satt. Und wenn wir amtlich auseinandergegangen wären, hätte ich Roanna schon vor langer Zeit geheiratet. Jessies Tod stellte ein unüberwindliches Hindernis zwischen uns dar, und ich hab wegen meines Grolls zehn Jahre vergeudet.«
Lucinda blickte forschend in sein Gesicht, und was sie dort fand, ließ sie erleichtert zusammensinken. »Du liebst sie wirklich!«
»So sehr, daß es weh tut.« Sanft drückte er Lucindas Hand. »Sie hat mich sechsmal angelächelt«, gestand er. »Und einmal gelacht.«
»Gelacht!« Wieder schossen Lucinda die Tränen in die Augen, und diesmal ließ sie sie rinnen. Ihre Lippen zitterten. »Ich würde sie so gerne wieder lachen hören, bloß noch einmal.«
»Sie wird wieder glücklich werden«, versprach Webb. »Wann wollt ihr heiraten?«
»So bald wie möglich; das heißt, wenn ich sie dazu überreden kann.« Er wußte, daß Roanna ihn liebte; aber sie davon zu überzeugen, daß er sie ebenfalls liebte, mochte einige Mühe kosten. Früher einmal hätte sie ihn mit fliegenden Fahnen genommen; doch nun würde sie vermutlich schweigen und auf stur schalten, wenn sie mißtrauisch war. Andererseits wollte er jedoch, daß Lucinda ihre Hochzeit noch erlebte, also mußte es rasch gehen – ihre Kräfte verlöschten zusehends. Und vielleicht gab es ja noch einen privateren Grund für eine unverzügliche Eheschließung.
»Ach was!« meinte Lucinda wegwerfend. »Du weißt, sie würde durchs Feuer gehen, um dich heiraten zu können!«
»Ich weiß, daß sie mich liebt; aber ich habe einsehen müssen, daß sie nicht mehr blindlings alles tut, worum ich sie bitte. Die Zeiten sind längst vorbei. Außerdem hätte ich ungern eine Fußmatte zur Frau. Sie soll selbstbewußt sein und für das einstehen, was sie will.«
»So, wie sie für dich einstand.«
»Wie sie immer für mich eingestanden ist!« Als er verlassen auf dem Friedhof stand, war Roanna an seiner Seite gewesen, hatte ihre schmale Hand in die seine geschoben und ihm Trost geboten, soweit sie ihn geben konnte. Sie war weit stärker als er, stark genug gewesen, um als erste auf ihn zuzugehen und ihm ihre Rechte zu reichen. »Sie verdient das Erbe«, beharrte er. »Außerdem möchte ich nicht, daß sie je das Gefühl hat, es mir recht machen zu müssen, nur um ihr Zuhause zu behalten.«
»Möglicherweise denkt sie dasselbe im
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